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014 - Das Geheimnis der gelben Narzissen

014 - Das Geheimnis der gelben Narzissen

Titel: 014 - Das Geheimnis der gelben Narzissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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stand, so daß er in sich zusammensank.
    Der Chinese ging mit einer erstaunlichen Sicherheit, mit einer fast wissenschaftlichen Gründlichkeit ans Werk. Erst befestigte er einen langen seidenen Strick oben an dem Querriegel des Kopfendes, dann knüpfte er kunstgerecht eine Schlinge um Milburghs Hals, so daß sich dieser nicht bewegen konnte, wenn er nicht erdrosselt werden wollte.
    Ling Chu legte ihn dann der Länge nach aufs Bett, löste die Handschellen und band die Handgelenke an die Bettpfosten, dasselbe tat er mit den Füßen.
    »Was wollen Sie mit mir machen?« winselte Milburgh, aber er erhielt keine Antwort.
    Ling Chu zog ein furchtbar aussehendes Messer aus seiner Bluse, und Milburgh begann zu schreien. Er war außer sich vor Entsetzen, aber er sollte noch viel schrecklichere Dinge erleben. Der Chinese unterdrückte sein Wehgeheul dadurch, daß er ihm ein Kissen über das Gesicht warf. Dann schnitt er Milburghs Kleider am Oberkörper auf und entfernte sie.
    »Wenn Sie schreien«, sagte er ruhig, »wird man glauben, daß ich singe. Die Chinesen haben keine musikalischen Stimmen, und die Leute sind schon oft nach oben gekommen, wenn ich chinesische Lieder gesungen habe, weil sie annahmen, daß jemand in großen Schmerzen um Hilfe schrie.«
    »Das dürfen Sie nicht tun«, keuchte Milburgh, »das ist gegen das Gesetz!« Er machte einen letzten Versuch, seine Lage zu retten. »Für Ihr Verbrechen werden Sie ins Gefängnis kommen.«
    »Das soll mich sehr freuen«, sagte Ling Chu, »das ganze Leben ist eine Gefangenschaft. Aber Ihnen wird man einen Strick um das Genick legen und Sie an einem Galgen aufknüpfen.«
    Er hatte das Kissen von Milburghs totenbleichem Gesicht wieder weggenommen, so daß dieser allen Bewegungen des Chinesen folgen konnte! Ling Chu betrachtete sein Werk mit großer Genugtuung.
    Dann ging er zu einem Wandschränkchen und nahm eine kleine braune Flasche heraus, die er auf einen Tisch neben dem Bett stellte. Er selbst setzte sich auf den Bettrand und sprach zu seinem Gefangenen. Sein Englisch war fließend, obgleich er dann und wann eine kleine Pause machte, um ein Wort zu suchen, das ihm entfallen war. Manchmal brauchte er hochtrabende und hochfahrende Phrasen, manchmal war er auch ein wenig pedantisch. Er sprach langsam und mit großem Nachdruck.
    »Sie kennen die Chinesen nicht? Sie waren nicht in China, haben nicht dort gelebt? Wenn ich Sie nun frage, ob Sie dort gelebt haben, meine ich nicht, daß Sie einige Wochen in einem guten Hotel in einer der Küstenstädte zugebracht haben. Ihr Mr. Lyne hat das so gemacht, und er hat natürlich auch nichts von seinem Aufenthalt gehabt.«
    »Ich weiß nichts von Mr. Lyne«, unterbrach ihn Milburgh, der fühlte, daß Lingh Chu ihn in irgendeiner Weise mit dem schlechten Betragen dieses Mannes in Verbindung brachte.
    »Gut«, sagte Ling Chu und schlug mit der flachen Klinge seines Messers auf die Hand. »Wenn Sie in China gelebt hätten - ich meine in dem wirklichen China -, dann würden Sie vielleicht eine Ahnung von unserem Volk und seinen charakteristischen Eigentümlichkeiten haben. Es ist bekannt, daß die Chinesen weder Tod noch Schmerz fürchten. Das ist natürlich ein wenig übertrieben, denn ich habe viele Verbrecher gekannt, die sich vor beidem fürchteten.«
    Seine dünnen Lippen verzogen sich einen Augenblick zu einem Lächeln, als ob er sich gerne an derartige Schreckensszenen erinnerte, aber dann wurde er wieder ernst.
    »Vom Standpunkt der Europäer aus sind wir noch ungebildet, nach unserer eigenen Ansicht aber haben wir eine alte Kultur, die höher steht als die des Westens. Das wollte ich Ihnen einmal einschärfen.«
    Milburgh war starr vor Schrecken, als Ling Chu ihm jetzt die Spitze seines Messers auf die Brust setzte. Aber er hielt es so leicht, daß Milburgh kaum die geringste Berührung spürte.
    »Wir achten das Recht der Persönlichkeit nicht so hoch, wie die Europäer. Zum Beispiel«, erklärte er Milburgh sorgfältig, »gehen wir nicht sehr zart mit unseren Gefangenen um, wenn wir der Meinung sind, daß wir sie durch Anwendung von ein wenig Gewalt zu Geständnissen bringen können.«
    »Was haben Sie mit mir vor?« fragte Milburgh entsetzt, denn es kam ihm plötzlich ein fürchterlicher Gedanke.
    »In England und auch in Amerika - obgleich die Amerikaner schon etwas schlauer sind - wird ein Verbrecher nach seiner Verhaftung nur dauernd verhört. Dabei hat er Gelegenheit, den Richtern so viel vorzulügen, wie ihm seine

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