014 - Draculas Höllenfahrt
Sie
könnten gewisse Dinge nur verschlimmern. Das möchte ich Ihnen nur noch mal
gesagt haben. Und noch etwas: Lassen Sie sich nicht anmerken, daß Sie etwas
wissen! Lassen Sie Lilian reden, wenn sie Lust dazu verspürt! Es wird sicher
viel unsinniges und zusammenhangloses Zeug über ihre Lippen kommen – aber das
befreit sie auch gleichzeitig von dem psychischen Druck, unter dem sie ständig
leidet …«
»Danke für Ihre Hinweise, Doktor.
Ich werde sie beachten.«
Aston öffnete ihr die Tür und blieb
dann draußen stehen. Miriam Brent wandte sich noch mal um. Aston nickte ihr
aufmunternd zu.
»Wenn irgend etwas sein sollte –
der Klingelknopf befindet sich über ihrem Bett. Ich werde sofort kommen. Ich
bin in meinem Arbeitszimmer.«
Er zog die Tür zu. Sein Gesicht war
hart, und die Augen blickten eisig.
Er tat so, als ginge er den
Korridor hinab. Deutlich hallten seine Schritte durch den menschenleeren Gang
im Parterre. Dann, auf Zehenspitzen, schlich er zurück und legte lauschend das
Ohr an.
Er wollte wissen, worüber Miriam
Brent und Lilian Bowman sprach. Sollte sich sein Verdacht bestätigen, dann
würde Larry Brent seine Schwester nie wiedersehen.
●
Lilian Bowman hob den Kopf.
»Miriam?« flüsterte sie, als könne
sie nicht glauben, daß die Kollegin wirklich bei ihr sei.
Larry Brents Schwester lächelte.
»Überrascht?«
Lilian nickte. »Das kann man wohl
sagen.« Sie saß auf dem Bettrand, erhob sich und kam der Freundin entgegen.
Miriam Brent bemerkte auf den
ersten Blick, daß Lilian sehr verändert war. Sie erschrak. Die Freundin sah
schlecht aus. Aber in ihrem Verhalten und in ihren Augen war nicht zu erkennen,
daß sie so geistesverwirrt sein konnte, wie Dr. Aston behauptet hatte.
Sie mußte sich im stillen
eingestehen, daß sie sich mehr mit Aston als mit Lilian beschäftigte.
Der Arzt kam ihr unheimlich vor.
Sie konnte sich eines gewissen Unbehagens nicht erwehren. Obwohl sie sich
sagte, daß dies Unsinn sei, ließ das Gefühl einfach nicht nach.
Die Besucherin bemühte sich, einen
heiteren und gelassenen Eindruck zu machen, und sie wäre in der Tat eine
schlechte Schauspielerin gewesen, wäre ihr das nicht gelungen.
Rasch kam ein Gespräch in Gang.
Miriam beobachtete die Freundin sehr genau. Lilian taute merklich auf. Sie nahm
teil an der Unterhaltung und legte die Apathie und Beklommenheit ab. Die Nähe
der Besucherin hatte eindeutig einen positiven Einfluß. Die erste Viertelstunde
verging wie im Flug. Die beiden jungen Frauen sprachen nur vom Theater. Lilian
wunderte sich, daß Miriam um diese Zeit überhaupt hier sein konnte. Um die
Freundin nicht unnötig zu beunruhigen, erklärte Miriam Brent, daß einer der
Hauptdarsteller plötzlich erkrankt sei und die Vorstellung für die nächste Zeit
ausfallen würde.
»Das hat zur Folge, daß du mich in
der nächsten Zeit vielleicht öfter siehst«, sagte sie lächelnd zu Lilian
Bowman. »Ich bin überzeugt davon, daß auch die anderen Kolleginnen und Kollegen
in den nächsten Tagen hier auftauchen werden.«
Lilians Gesicht hellte sich auf.
»Das wäre schön. Ich bin hier sehr allein.«
»Ich würde dir gern auch ein wenig
länger Gesellschaft leisten, aber Dr. Aston hat mir nur eine halbe Stunde
Besuchszeit erlaubt.«
Miriam wollte dem noch etwas hinzufügen,
aber sie unterbrach sich, als sie sah, wie die Miene Lilians sich verfinsterte.
»Aston«, stieß die Patientin
hervor. »Er ist ein Scheusal!« Sie senkte die Stimme. Ein wildes Licht
flackerte in ihren Augen. »Er hält mich hier fest, gegen meinen Willen.«
»Das kann ich nicht glauben,
Lilian. Es kommt dir nur so vor. Er ist der Chefarzt hier, er weiß, was
geschehen muß …«
Lilian ließ Miriam nicht ausreden.
»Gar nichts weiß er! Wenn ich anfange klar zu denken, dann setzt er mich unter
Drogen. Und er hat auch allen Grund dazu.« Ihre Stimme erfüllte den Raum; und
sie erschrak vor der eigenen Lautstärke. Rasch erhob sie sich und starrte auf
die Tür. »Das Geräusch – hast du es nicht gehört!« flüsterte sie. Ihr Gesicht
glänzte.
Miriam schluckte. Auch ihr war es
so vorgekommen, als hätte es unmittelbar vor der Zimmertür geraschelt.
Wie erstarrt stand Lilian in der
Mitte des Raumes. »Er belauscht uns!«
»Unsinn!« Mit sicheren Schritten
näherte sich Miriam Brent der Tür. Blitzschnell drückte sie die Klinke herab und
riß die Tür auf.
»Nichts, Lilian …« Sie überschritt
die Schwelle und blickte den Gang hinunter. Genau
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