014 - Draculas Höllenfahrt
alles gekommen war.
»Die Tür ist verschlossen,
natürlich. Das war ich.« Chuck Barners sagte es mit einem gewissen Triumph in
der Stimme, als hätte er damit eine besondere Leistung vollbracht. »Ich muß das
abends immer machen. Bei Einbruch der Dunkelheit schon. Aber ich war
verhindert. Ich hatte Schwierigkeiten – mit einem Patienten …«
Manchmal geriet er während des
Sprechens ins Stocken. Und das war der Fall, sobald er Miriam in die Augen sah.
»… ich wußte nicht, daß noch eine
Besucherin im Hause ist. Das kommt an sich selten vor. – Doktor Aston muß nicht
mehr daran gedacht haben … an die verschlossene Tür … kommen Sie mit, ich lasse
Sie hinaus.«
So einfach war die ganze Sache?
Miriam schüttelte erst mal den Kopf, als sie vor dem Haus stand und Chuck
Barners wie eine Silhouette hinter der oberen, aus dunkelbraunem Glas
bestehenden Türhälfte hantierte, um die Tür wieder abzuschließen.
Die kühle, feuchte Nachtluft schlug
Miriam in das erhitzte Gesicht. Sie schloß sekundenlang die Augen und beeilte
sich dann, so schnell wie möglich das Sanatorium hinter sich zu bringen. Rasch
ging sie über den breiten, mit Kies bestreuten Weg, der quer durch den großen
Park führte.
Es war stockfinster. Am Himmel
leuchtete kein Stern. Dicke, schwere Wolken zogen über die Baumkronen hinweg.
Es dauerte sicher nicht mehr lange, und es würde wieder zu regnen anfangen.
Miriam Brent beschleunigte ihren
Gang.
Das Knirschen ihrer Schritte und
das Knacken eines morschen Astes in ihrer Nähe mischten sich. Das Geräusch
entging ihrer Aufmerksamkeit.
Noch dreißig Meter! Schon sah sie
die schemenhaften Umrisse der Mauer zwischen den schwarzen Stämmen und das
große Gittertor.
Ihr Herz schlug schneller, und ein
Schreck durchfuhr sie, als sie daran dachte, daß vielleicht auch dieses Tor …
dann wäre es kein Zufall mehr …
Miriam rannte.
Da begann der Baum neben ihr mit
einem Mal zu leben.
Aus den Augenwinkeln registrierte
sie die Bewegung. Der dunkle Schatten stürzte sich auf sie. Geistesgegenwärtig
warf sich Miriam herum. Sie schwenkte ihre Handtasche zur Seite. Dumpf
klatschte das Leder dem Angreifer ins Gesicht.
Dann griffen starke Hände nach ihr.
Sie rollte sich im Fallen auf den
Rücken, nutzte die Kraft des Angreifers aus und schleuderte den Widersacher
über sich hinweg.
Blitzschnell warf sie sich auf die
Seite und wollte den Mann nicht aus den Augen verlieren.
Der Mann sprang ebenso schnell vom
feuchten Boden auf wie Miriam Brent. Ohne sich auch nur eine Sekunde zu
besinnen, stürzte er sich erneut auf das Mädchen. Miriam spürte den unreinen
Atem im Gesicht. Angewidert wandte sie sich ab. Süßlicher Geruch – wie Blut,
zuckte es durch ihr Bewußtsein.
Noch ehe die langen, knochigen
Finger nach ihr greifen konnten, schwang Miriam ihr rechtes Bein in die Höhe.
Der Rock rutschte weit über die Schenkel hoch, und die Fußspitze knallte genau
auf die Kinnspitze ihres Gegners.
Es krachte und knirschte. Der Mann
flog zurück, überrascht von soviel Widerstand. Er stolperte, stürzte zu Boden
und rollte sich herum, so schnell, daß diesmal auch Miriam Brent beeindruckt
war. Der andere wischte mit beiden Beinen herum, und eine Stange schien Miriam
den Boden unter den Füßen wegzureißen.
Dann war der Fremde über ihr.
Doch auch noch jetzt wehrte Miriam
sich verbissen.
Sie strampelte und versuchte die
Beine anzuziehen, um den über ihr liegenden Körper beiseitezuschieben. Doch der
Mann lag wie ein Klotz und drückte ihre Arme weit über den Kopf zurück, so daß
jede Gegenwehr erlosch.
Miriam fühlte, wie ihre Kräfte
nachließen. Die Unterwäsche klebte an ihrem Körper, jeder Pore ihrer Haut
entströmte Schweiß.
Keine zehn Schritte von ihr
entfernt, befand sich das rettende Tor.
Miriam schrie auf. Ihre helle
Stimme hallte durch den Park, ihr Rufen konnte nicht ungehört bleiben.
»Schweig!« Die harte Stimme des
Mannes klang gefährlich und drohend.
Eine Hand legte sich auf ihren Mund
und ihre Nase.
Hart und brutal preßte der Fremde
die Handfläche auf ihr Gesicht. Miriam schnappte nach Luft. Vergebens! Ihre
Lungen schienen zu platzen. Alles vor ihren Augen begann sich zu drehen.
Wie aus weiter Ferne nahm sie wahr,
daß das dunkle Gittertor aufgestoßen wurde. Mit langen Schritten eilte eine
Gestalt näher. Im gleichen Augenblick löste sich ein Schatten aus der
Dunkelheit Richtung Sanatorium.
Dr. Aston!
Keuchend kam er näher. Doch der
unbekannte Eindringling,
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