014 - Draculas Höllenfahrt
Kind.«
Miriam verhielt im Schritt und
blickte den Mann, der sie begleitete, voll an. »Eine Frage, Mister Meyerling:
Ihr Auftauchen – war doch kein Zufall, nicht wahr?«
»Sie sind eine von der schlauen
Sorte. Richtig geraten, Miß …«
»Brent.«
»Miß Brent.« Er blickte sie an. Für
einen Moment schien es, als wollte er noch etwas sagen, aber dann unterließ er
es.
»Nochmals vielen Dank, Mister
Meyerling! Sie haben mir wahrscheinlich das Leben gerettet.«
»Nicht der Rede wert.« Er winkte
ab. »Dr. Aston tauchte fast zur gleichen Zeit auf. Er hätte Ihnen ebenso
geholfen. «
Miriam nahm die Autoschlüssel aus
der Handtasche. »Er tauchte reichlich spät auf«, bemerkte Larry Brents
Schwester leise.
Während sie die Tür des Wagens
aufschloß, meinte Meyerling: »Sie waren als Besucherin in dem Sanatorium, Miß
Brent. Sagen Sie, ist Ihnen etwas Besonderes darin auf gefallen? Haben Sie
etwas gehört – oder gesehen …«
Miriam wandte sich langsam um. »Ich
verstehe nicht, was Sie damit meinen, Mister Meyerling.«
»Der Vorfall im Park – nun, ich
kann mich täuschen – aber er kann doch bewußt herbeigeführt worden sein, nicht
wahr?«
Als Miriam Brent diese Worte hörte,
glaubte sie, an ihrem Verstand zweifeln zu müssen.
»Was haben Sie gesehen? Daß Dr.
Aston es etwa auf diesen Angriff ankommen ließ?«
»Gesehen? Ich habe nichts gesehen,
Mister Meyerling.«
»Ist in Ihrem Beisein – der Name
Dracula gefallen?«
Miriam Brent schluckte. »Eine
Freundin erzählte mir von einem Vampir …« Sie zuckte die Achseln, sie war so
aufgeregt, daß sie kaum noch reden konnte.
Meyerling nickte. »Lassen wir das.
Vielleicht unterhalten wir uns später noch mal darüber. Ich darf Sie doch mal
besuchen? Verraten Sie mir Ihre Anschrift?«
Miriam Brent nannte sie ihm. Er war
erstaunt, daß sie ein Apartment in einem exklusiven Hotel bewohnte. Als er
jedoch erfuhr, daß sie als Schauspielerin tätig war, verstand er es.
Miriam fuhr wenig später davon.
Tausend Fragen lagen ihr auf der Zunge, aber da war niemand, der sie ihr
beantworten konnte. Die letzte Stunde war zu einem Alptraum geworden. Sie mußte
erst mal zu sich selbst finden und ihre Gedanken ordnen.
Während der Fahrt nach New York
hatte sie genügend Gelegenheit dazu.
●
Im Rückspiegel sah sie noch, wie
auch Josef Meyerling in seinen klapprigen Ford stieg und davonfuhr. Die roten
Rücklichter wurden immer kleiner und schienen sich in der diesigen, feuchten
Luft schließlich aufzulösen.
Keine Spur mehr von dem Wagen! Was
Miriam Brent nicht sah, war, daß der rätselhafte Alte nach einer Fahrt von rund
dreihundert Metern seinen Wagen abermals zum Halten brachte, gedankenversunken
hinter dem Steuer saß und müde in das Dunkel starrte. Dann griff er nach der
Aktenmappe, die auf dem Rücksitz lag, seufzte, verließ den Ford und schloß ihn
ab.
Er mußte etwa hundert Meter den Weg
zurückgehen. Dann kam die Mauer des abseits gelegenen Anwesens von Dr. Aston
wieder in Sicht. Meyerling zog den Reißverschluß an der Wetterjacke höher,
klemmte die Tasche fester unter den Arm und lief langsam – aufmerksam auf die
Geräusche seiner Umgebung achtend – an der Mauer entlang, die wie ein Wall aus
feuchtem, mit einer dicken Laubschicht bedeckten Waldboden emporwuchs.
Der Deutsche näherte sich von der
Nordseite her dem Anwesen. Er kannte hier jeden Fußbreit Boden. Der Weg führte
ein wenig hügelan. Die fast kahlen Bäume ragten schwarz und knorrig zu allen
Seiten in den Nachthimmel.
Meyerling entfernte sich von der
Mauer und marschierte einer riesigen alten Eiche zu, deren vergabeltes Astwerk
bis tief herabreichte.
Der schweigsame, geheimnisvolle
Wanderer kletterte etwa zweieinhalb Meter in die Höhe, so daß er bequem die
Mauer überblicken konnte.
Durch das knorrige Geäst der Bäume
sah Meyerling das einsame Haus. Astons privates Sanatorium!
Dunkel und geheimnisvoll lag es wie
verloren in der Senke. Im Haus brannte hinter zwei Fenstern noch schwaches
Licht, es war in der ersten Etage, dem Arbeitszimmer des Psychotherapeuten.
Meyerling nahm aus der Tasche ein
Nachtglas, hielt es vor die Augen und beobachtete intensiv das abseits liegende
Gebäude.
Er hoffte, in dieser Nacht einen
Schritt weiterzukommen. Und doch fürchtete er sich gleichzeitig vor der
Bestätigung seiner Vermutungen.
●
Larry Brent hielt sich an diesem
Abend länger in der PSA auf, als gewöhnlich. Meistens verbrachte er hier die
wenigste Zeit
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