014 - Draculas Höllenfahrt
dir sein.«
»Ich habe Angst, Dave.«
Sie schmiegte sich an ihn.
»Dazu besteht keine Veranlassung,
Miß Ulbrandson«, schaltete sich Dr. Cushing ein. »Sie können ganz beruhigt
sein. Wir meinen es hier gut mit Ihnen. Und Sie sind rascher wieder zu Hause als
Sie vielleicht denken. Sie brauchen Ruhe, das ist alles. Sie sind ein wenig
durcheinander. Das alles wird sich legen. Ich möchte Sie darum bitten, in einer
Stunde ins Untersuchungszimmer zu kommen.«
»Danke, Doktor.«
Larry ging mit Cushing hinaus,
während Morna ihre Kleider in den Schrank räumte.
»Sie haben mit Dr. Aston
gesprochen?« wollte X-RAY-3 wissen.
»Telefonisch ja. Er ist mit der
Angelegenheit einverstanden. Sie werden ihn spätestens übermorgen treffen.
Vorher wird er kaum die Zeit finden, hierher zu kommen.« Cushings Stimme klang
ein wenig merkwürdig. Larry fiel das auf. Er versuchte sich den
Bestattungsunternehmer Horsley vorzustellen, den er in London getroffen hatte
und der unter Draculas Hypnose stand. Der Mann machte einen ganz normalen Eindruck.
Und doch war er nur eine Marionette.
Lag der Fall ähnlich bei Dr.
Cushing?
»Was die Bezahlung anbelangt,
Mister Donovan«, fuhr Cushing fort, »es ist üblich als Selbstzahler bei Ankunft
mindestens 500 Dollar anzuzahlen. Zwischenrechnungen erfolgen in der Regel alle
zehn Tage.«
Larry schrieb einen Scheck über 800
Dollar aus. Dann verbrachte er den Rest des Nachmittags bei Morna, nachdem er
den Koffer mit seinen Utensilien aus dem Wagen geholt hatte. Hemden und zwei
weitere Anzüge wollte er spätestens am Montag von New York holen. Doch er mußte
sowieso noch mal in die Metropole, um zwei Maskenkostüme zu besorgen. Es war
ein ungeschriebenes Gesetz, daß kein Patient und kein Besucher der Party
unverkleidet herumsitzen durfte. Eine Ausnahme könnte zu Unruhe und
Mißverständnissen unter den ernsthaft Kranken führen. Alles sollte in einer
großen Anonymität stattfinden, wo sich Kranke und Gesunde, Besucher und
Insassen nicht mehr voneinander unterschieden. Auch die Ärzte würden verkleidet
kommen, und niemand verriet sein Kostüm.
In New York besorgte sich Larry
Brent noch vor Ladenschluß zwei Kostüme. Morna sollte sich als Zigeunerin
verkleiden, er würde als Musketier auftreten. Heimlich verstaute er die gut
verpackten Kostüme in seinem Zimmer.
Er warf noch einmal einen Blick zu
Morna hinein. Sie trug die Haare wieder offen, saß im Bett und blätterte in
einem Magazin. Die Schwedin trug ein zartgrünes Nachthemd, das mehr preisgab
als es verbarg. Sie machte einen ruhigen Eindruck.
»Er hat mir eine Spritze gegeben.
Es war ein einfaches Beruhigungsmittel. Soviel jedenfalls habe ich von der
Ampullenaufschrift mitbekommen. Ich fühle mich etwas schläfrig.«
»Dann ruh dich aus. Ich bin in der
Nähe. Später sehe ich mir mal das Haus von oben bis unten an.«
Sie flüsterten nur. Zehn Minuten
später war Morna Ulbrandson nicht mehr zu sprechen. Das Magazin entfiel ihren
Händen, Larry löschte das Licht, streichelte Mornas Haar und huschte aus dem
dunklen Raum. Er hielt sich über drei Stunden in dem angrenzenden Zimmer auf.
Die Sorgen waren keineswegs kleiner geworden. Gegen elf Uhr in der Nacht
verließ er leise den Raum. Larry war noch völlig angekleidet. Er tat das, was
er sich vorgenommen hatte: das Sanatorium vom Dach bis in den Keller zu
untersuchen. Teilweise arbeitete er sich in völliger Finsternis voran und ließ
nur gelegentlich die Stablampe aufblitzen, um diese oder jene Ecke
auszuleuchten. Die Schwester, die Nachtdienst hatte, saß lesend in dem Büro,
dessen Tür halb offen stand. Nicht mal sie bemerkte den lautlosen Schatten, der
durchs Haus schlich.
X-RAY-3 orientierte sich eingehend
über die Lage der Patientenzimmer und betrat einige, um festzustellen, ob
Miriam nicht vielleicht in einem Zimmer untergebracht war. Er entdeckte weder
Edith Beran, noch Lilian, noch Miriam.
Dann nahm er sich den düsteren,
kahlen Keller vor. Er stieß auf das Laboratorium, die Nebenräume und entdeckte
auf dem staubigen Boden Abdrücke von länglichen Kisten, die seltsame
Assoziationen in ihm weckten.
Aber wieder keine Spur von Miriam!
Und auch nicht von Dr. Aston! Aber es war Nacht, und er war Dracula; dann war
dies die Zeit, in der er umging.
Bis zum Morgengrauen hatte Larry
den gesamten Gebäudekomplex untersucht. Das Ergebnis war nicht dazu angetan,
ihn aufzuheitern oder zu ermutigen. Er fürchtete das Schlimmste für seine
Schwester.
●
Der nächste
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