0140 - Der Dybbuk
hervor.
Noch überraschender für Zamorra war Nicoles Reaktion.
Sie flog förmlich nach vorn, ihre Hände krallten sich an der Tischkante fest. »Nici!« rief Zamorra sie an. »Was ist los?«
Sie lehnte sich wieder zurück. Ihre Augen flackerten. »Nichts«, murmelte sie schwach. »Mir ist nur unwohl…«
Zamorra sah sie nachdenklich an. Etwas an ihr gefiel ihm nicht. Sie trug immer noch Bluse und Jeans, die sie am Nachmittag in der City getragen hatte. Die Bluse stand ziemlich weit offen. Das, und die Tatsache, daß sie sich noch nicht wieder umgekleidet und für das Dinner besonders in Schale geworfen hatte, befremdete ihn. Sonst war sie doch nicht derartig nachlässig in Kleidungsfragen -und auch nicht so offenherzig. Gewiß, sie war nicht das, was man als prüde bezeichnet, und ihr Körper war durchaus sehenswert, aber sie stellte sich auch nicht unbedingt vor Fremden mehr als nötig zur Schau. Es schien Zamorra fast, als wolle sie die Wirkung ihres Körpers testen.
»Entschuldigt mich bitte«, sagte sie und stand auf. »Ich lege mich hin. Unterhaltet euch ruhig weiter. Ich glaube, das Klima bekommt mir nicht.«
Sie ging ins Bungalow-Haus. Die drei Männer sahen ihr nach; sie hatten auf der Terrasse auftragen lassen. Der Abend war für die Jahreszeit ungewöhnlich mild, und auch der Tag war äußerst warm gewesen. Es wurde rasch dunkler. Die Kerze verbreitete einen flackernden Schein.
»Seltsam«, meinte jetzt auch Bill. »So kenne ich sie doch gar nicht.«
Zamorra war versucht, ebenfalls aufzustehen und ihr nachzugehen. Doch dann blieb er sitzen. Er ahnte, daß er sich eine Abfuhr holen würde. Nicole hatte sich auf eine geradezu groteske Weise verändert…
Er sah Simon wieder an. Im Zwielicht wirkte dessen Gesicht dämonisch in seiner Licht-Schattenwirkung. Blödsinn, dachte der Professor und griff den Unterhaltungsfaden wieder auf. »Wie ich darauf komme? Es ist eigentlich naheliegend. Ich befasse mich mit Parapsychologie, Okkultismus, Magie - sonst hätten Sie mich ja nicht über Bill herbeigebeten. Bei der City Police gibt es jemanden, der sich ebenfalls für solche Dinge interessiert, und er bat mich heute nachmittag, mich um einen Fall zu kümmern. Ein Mann war niedergefahren worden von einem Fahrzeug, das mit magischen Bannformeln bemalt war und dessen Fahrer spurlos verschwand. Wo Sie jetzt von einem Unfall sprechen, liegt für mich der Verdacht nahe.«
»Ihr Verdacht ist richtig, Professor«, nickte Simon Caster. »Der Dybbuk, der mich unterjochen wollte, war tatsächlich Ramon Loew. Ich wollte Sie ursprünglich bitten, mir gegen ihn zu helfen, aber durch den Unfall erübrigte sich das.«
»Der Unfall war ein Mordanschlag«, sagte Zamorra sanft.
Simon Caster hob die Augen. »Woher wissen Sie das?«
»Meine magischen Ermittlungen«, lächelte der Meister des Übersinnlichen. »Nur die Identität des Täters blieb mir bislang verschlossen.«
Ihm kam es so vor, als atme Simon erleichtert auf. Warum? Hatte er mit dem Mord an Loew zu tun?
»Warum wollte Loew Ihnen ans Leder?« fragte Zamorra. »Kein Magier handelt ohne irgendeinen Grund. Magische Aktionen verzehren immer Energie, und wenn jemand eine solche Anstrengung unternimmt, einen anderen geistig total zu kontrollieren, wie dies ein Dybbuk tut - welche Anstrengungen das sind, weiß ich aus eigener Erfahrung -, dann sieht er auch bestimmt einen Nutzen darin.«
»Ich weiß es nicht«, log Caster. »Keine blasse Ahnung, Professor.«
Zamorra sah ihn sinnend an.
»Der Braten wird kalt«, sagte Bill Fleming.
Der Professor stutzte einen Moment, starrte erst Bill, dann die Speisen an und murmelte: »Du hast eine überraschend unkomplizierte Art, auf das Wesentliche zu kommen - aber du hast recht.«
Er langte zu.
Während sie tafelten, ging die Unterhaltung weiter. Mehr und mehr bildete sich dabei in Zamorra der Verdacht, daß etwas faul war. Aber er war vorsichtig. Simon Caster traute er plötzlich nicht mehr, und die veränderte Nicole - warum hatte Pete Caster bei ihrem Anblick gesagt: Sie ist eine Loew!?
»Ich werde es herausfinden«, murmelte er. Simon sah auf. »Bitte?«
Zamorra winkte ab und schob seinen leeren Teller von sich. »Recht nett«, wich er aus, griff zur Serviette und tupfte seine Lippen ab. »Danke für die Einladung, Mister Caster!«
»War mir eine Ehre«, behauptete der Sohn des Hoteliers. »Die nächste Nacht werden Sie dann wohl in meinem Bungalow erleben. Wenn ich Ihnen in bezug auf gutes Essen einen Tip geben
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