0145 - Die fliegenden Särge
eine kleine Pause. »Die Folgen tragen Sie allein.«
Der zweite Schock.
Nur 24 Stunden. »Das… das schaffe ich nie«, keuchte der Anwalt.
»Sie müssen.«
»Es geht aber nicht.«
»Hören Sie auf.« Die Stimme des Anrufers klang plötzlich scharf. »Für Sie ist doch sonst nichts unmöglich. Besorgen Sie das Geld, und damit fertig.«
Soweit die Anrufe.
Momentan hockte der Anwalt in seinem Büro und brütete vor sich hin. Er hatte beide Ellenbogen aufgestützt und das Kinn in die Handteller gelegt.
Eine Million!
Sicher, er konnte das Geld lockermachen, aber dann war er selbst ziemlich am Ende.
Und außerdem dachte er gar nicht daran, diesem habgierigen Erpresser die Summe in den Rachen zu werfen. Er wollte sich auch nicht kaputtmachen lassen, deshalb gab es für ihn nur eine einzige Alternative.
Ransome zog die Schublade auf und griff ganz hinten unter eine dünne Mappe.
Dort lag seine Waffe.
Eine alte Armee-Pistole, die er schon immer hatte abgeben wollen, es aber hinausgeschoben hatte.
Diese Waffe sollte ihm jetzt helfen. Sie war geladen und auch im Laufe der Zeit gepflegt worden. Und schießen konnte er auch damit. Das war einfach.
Er steckte die Waffe weg. Sie fand zwischen Rippen und Hosengürtel genügend Platz.
Seine Sekretärin meldete sich. Sie redete immer durch die Sprechanlage. »Die Post, Sir.«
»Bringen Sie sie herein.«
Wenige Sekunden später lagen die. Briefe auf dem Schreibtisch des Anwalts.
Fast alle besaßen einen Absender.
Bis auf einen blaugrauen Umschlag, der neutral gehalten war. Ransome ahnte, wer ihn geschrieben hatte. Seine Finger zitterten, als er den Umschlag öffnete.
Ein weißer Bogen fiel heraus. Der Absender hatte ihn zweimal gefaltet, und der Anwalt musste ihn erst auseinander ziehen.
Normalerweise unterziehen sich Erpresser der Mühe, ihre Forderungen aus Worten aufzukleben, die sie aus Zeitungen ausgeschnitten hatten. Das war hier nicht der Fall. Der Erpresser hatte selbst geschrieben, mit einem Kugelschreiber, wie unschwer festzustellen war.
Cyril Ransome las einmal und auch ein zweitesmal. Dann wusste er Bescheid. Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Dieser unbekannte Bursche machte es ihm leicht. Er bestellte ihn in den Sandhurst Forest, nördlich von London, wo es noch die alten Munitionsbunker gab. Dort sollte der Treffpunkt sein.
Punkt 16 Uhr.
Ransome nickte. Er hatte sich entschlossen, hinzufahren. Aber mit seiner Waffe.
Der Anwalt steckte den Zettel wieder ein. Er wollte ihn später wegwerfen.
Die andere Post ließ er ungeöffnet. Persönlich brachte er sie seiner Privatsekretärin ins Vorzimmer. »Sie können die Sachen dann an die Mitarbeiter weiterleiten, Brenda.«
Die Frau schaute ihren Chef erstaunt an. »Wirklich, Sir? Wollen Sie nicht erst…«
»Wenn ich es Ihnen doch sage.«
»Verstanden, Sir.«
Brenda wunderte sich, in welch einem Tonfall Ransome sprach. So hatte sie ihn selten erlebt.
Der Anwalt war noch nicht fertig. »Ich werde heute nicht mehr zurückkommen«, sagte er. »Meine Termine kann Mr. Giddins übernehmen.«
»Geht in Ordnung, Sir.«
Cyril Ransome betrat noch einmal sein Büro, holte den schmalen Aktenkoffer, zog seinen Mantel über und verließ die Kanzlei. Er hoffte nur, dass er alles richtig gemacht hatte. Wenn nicht, war es auch nicht zu ändern.
Der Anwalt besaß einen großen Mercedes, der in der Tiefgarage parkte. Er ließ den Wagen aus dem Komplex rollen und fuhr nur ein paar Straßen weiter, wo seine Hausbank lag.
Dort war er mit einem der leitenden Direktoren verabredet. Man hatte ihm das Geld selbstverständlich zur Verfügung gestellt, wenn auch mit einem überraschenden Heben der Augenbrauen. Allerdings war der Direktor zu sehr Gentleman, um nach dem Zweck der Million zu fragen.
Auf dem Parkplatz der Bank fand Ransome noch eine freie Stelle. Dort stellte er den 280er ab, betrat das Gebäude durch den rückwärtigen Eingang und fuhr sofort mit dem Lift hoch in die Chefetage, wo er auch angemeldet war.
Die Sekretärin wusste Bescheid und hielt dem Anwalt die Tür zum Chefzimmer offen.
Nickend passierte Cyrus Ransome.
Der Direktor wusste Bescheid. Er ging seinem finanzkräftigen Klienten entgegen.
Beide reichten sich die Hände.
»Bitte, nehmen Sie Platz, Mr. Ransome«, sagte der Bankdirektor und deutete auf die Ledergruppe, die aus zwei Sesseln und einer schmalen Couch bestand.
»Danke.«
»Möchten Sie etwas trinken?«
Der Anwalt lehnte ab. Er überragte den Bankdirektor um einen Kopf.
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