0149 - Die Nacht der flammenden Augen
stecken.
»Okay, Les«, sprach er den hinter mir stehenden Mann an. »Wir können jetzt.«
»Soll der Scheißer hier zusehen?« kicherte Les hinter mir.
»Na klar, und dann schmeißen wir ihn auf den Friedhof, wo er krepieren kann.«
Friedhof? Welcher Friedhof war gemeint? Ich hatte keine Ahnung, war aber gespannt. Ich entspannte mich, als ich eine Galgenfrist bekam.
»Rühr dich nur nicht!« zischte Les hinter mir.
Ich dachte auch nicht daran. Schließlich war ich nicht lebensmüde.
Soccer drehte Glenda herum. Den linken Arm hatte er um ihre Kehle gelegt, in der rechten hielt er nach wie vor die Lampe, mit er er an Glenda vorbeileuchtete. Der breite Strahl fiel auf eine Treppe, die so brüchig aussah, daß man Angst haben konnte, sie zu betreten. Ein Geländer war im unteren Teil überhaupt nicht mehr vorhanden. Nur oben entdeckte ich einige Fragmente.
Les und ich blieben noch stehen, während Soccer mit Glenda schon die ersten Stufen hochschritt. Sie ächzten und knarrten, doch sie hielten das Gewicht der beiden aus.
Da bis jetzt kein weiterer Kerl aufgetaucht war, rechnete ich damit, daß wir es nur mit zwei Muggern zu tun hatten. Die waren zwar auch verdammt gefährlich, aber mit ihnen konnte ich unter Umständen fertig werden.
»Hast du Angst?« keuchte der Knabe hinter mir.
»Vielleicht.«
»Sag nicht vielleicht, du hast Schiß. Warum bist du überhaupt hergekommen?«
»Verlaufen.«
Der Mugger lachte. »Lüg nicht. Ihr seid mit dem Bentley gekommen. Gutes Modell wirklich, wenn auch schon etwas älter. Aber den kann man noch zu Geld machen. Egal, wie ihr hergekommen seid. Ein Fehler war es auf jeden Fall.«
»Steht ihr mit den Augen in Verbindung?« fragte ich.
Er schwieg.
»Hast du Angst davor?«
»Nein, sie tun uns nichts. Du fragst wie ein Bulle. Bist du einer?«
»Kann sein.«
»Du hast ‘ne Kanone, wie?«
Ich schwieg, weil ich enttäuscht war. Ich hatte schon damit gerechnet, daß der Kerl meine Beretta vergessen würde. Dem war nicht so.
»Ja, du hast eine!« flüsterte er. »Aber bilde dir nur nicht ein, daß du sie gebrauche kannst. Und wenn du ein Bulle bist, macht es mir um so mehr Spaß, dich verrecken zu sehen. Mein Bruder ist nämlich von einem wie du es bist umgebracht worden.«
»Bestimmt nicht ohne Grund.«
»Nee, er hatte eine Geisel. War zufällig ein Kind…«
Mir kam die Galle hoch. Verdammt, wenn dieser Kerl ebenso gefährlich war wie sein Bruder, dann stand uns noch einiges bevor.
Mit Schrecken dachte ich an Glenda.
Sie war mit Soccer auf dem ersten Absatz stehengeblieben und hatte sich dort umgedreht. Der Mugger leuchtete die Stufen hinab.
»He, Les, ihr könnt kommen!«
»Okay.« Les nahm das Knie aus meinem Rücken. »Geh nur vorsichtig weiter, Bulle. Die Klinge bleibt an deiner Kehle. Wenn ich merke, daß du Mist machen willst, dann geht es sssssit, und du bist nicht mehr. Klar?«
»Kapiert«, sagte ich rauh. Was war das nur für ein Mensch hinter mir. Eine noch junge Stimme, und der Typ war verdorben bis in die Knochen. Soho brachte wirklich den Abschaum hervor.
Ich machte steife Schritte und hütete mich auch, mich irgendwie falsch zu bewegen, denn ein Ruck nur, und die Klinge hätte meine Kehle durchschnitten. Angeritzt war die Haut sowieso schon. Ein dünner Blutfaden lief feucht am Hals entlang und versickerte in meinem Hemdkragen.
Unter meinen Füßen knirschte der Dreck. Dieses unter Umständen leerstehende Haus war als Mülleimer benutzt worden.
Hier hatten die Leute ihren Unrat reingekippt.
Bis zum Beginn der Treppe ging alles gut. Vor der ersten Stufe blieben wir stehen. Der breite Scheinwerferstrahl fiel als heller Teppich bis an meine Fußspitzen.
Jetzt erst sah ich richtig, wie zerstört die Treppe eigentlich war.
Jeden Moment konnten Stufen brechen, so glaubte ich.
Les schien meine Gedanken erraten zu haben, denn er lachte auf.
»Keine Sorge, die Treppe hält noch. Die ist die letzten Jahre nicht eingestürzt, warum sollte sie heute?«
Ich war nicht so überzeugt, enthielt mich aber einer Antwort und betrat die erste Stufe. Dabei schielte ich nach unten, und mein Blick traf zwangsläufig die Klinge. Sie war ziemlich breit und erinnerte mich an die Messer, die auch von Fallschirmjägern getragen wurden.
Zudem war sie beidseitig geschliffen, und das Licht der Lampe warf blitzende Reflexe auf den Stahl.
Les hatte das Messer ein wenig von meinem Hals weggenommen. Ich spürte keinen direkten Hautkontakt mehr. Aber auch so war die Gefahr
Weitere Kostenlose Bücher