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015 - Die Heiler

015 - Die Heiler

Titel: 015 - Die Heiler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Hand des Blinden berührte Matts verletzte Hand, tastete sie mit erstaunlicher Behutsamkeit ab und fühlte den Puls.
    Der alte Mann neigte den Kopf und sagte einige holländisch klingenden Worte, die mit medizinischen Brocken durchsetzt waren. Sein Tonfall war beruhigend, beinahe schon väterlich.
    Er denkt, ich habe Angst vor der Operation, erkannte Matt. Seine letzten Zweifel über die Absichten der Heiler schwanden. Sie wollten helfen und ahnten nicht, was sie tatsächlich anrichteten!
    Der Assistent des Blinden zückte sein Skalpell. Bevor Matt reagieren konnte, hatte er den Ärmel seiner Uniformjacke bis zum Ellbogen aufgetrennt.
    »Moment mal«, sagte Matt heiser, als die Hand des Blinden wie eine kalte Spinne an seinem Arm empor kroch. »Das ist keine gute Idee.«
    Die tastenden Finger des alten Mannes fanden die Vene.
    Die Spritze senkte sich Matts Arm entgegen.
    ***
    Aruula träumte.
    Sie saß auf einer kleinen Holzbank vor dem Farmhaus ihres Sohns. Die Sonne schien auf sie herab und erwärmte ihren alten Körper.
    Aruula wusste, dass sie den nächsten Winter nicht überleben würde, aber der Gedanke an den Tod hatte seinen Schrecken längst verloren. Vor zwei Wintern hatte Rogad das Schicksal des Fischers ereilt, als Udik einen Sturm schickte und das Boot von seinen Wellen verschlucken ließ. Bereits ein Jahr zuvor hatte Udik Ayra zur Witwe gemacht und Phratos zu sich befohlen.
    Zu viele Fischer in der Familie, dachte Aruula ohne Bitterkeit.
    Wenn sie ihr Leben betrachtete, fand sie nicht viel, das sie bereuen musste. Sie und Rogad hatten eine gute Ehe ohne viel Streit geführt und sechs gesunde Kinder großgezogen. Sogar an ihren verstorbenen Sohn Feyn konnte Aruula mittlerweile denken, ohne dass ihr die Tränen in die Augen schossen.
    Das Leben war besser zu ihr gewesen als zu den meisten Menschen, denn es hatte weniger Tragödien als Glück gegeben - und das konnten nicht viele von sich behaupten.
    Und doch…
    Aruula sah auf das Meer hinaus. Eine sanfte Brise wehte ihr den Geruch von Salzwasser entgegen. In der Ferne leuchteten die weißen Segel der Fischerboote.
    Die letzten Jahre hatten das Volk der dreizehn Inseln verändert. Mehr und mehr drangen die Händler aus dem Norden und dem Osten bis zu ihnen vor und füllten die Köpfe der jungen Leute mit Geschichten über die Welt jenseits der Inseln.
    Auch Aruulas Enkelkinder trugen sich mit dem Gedanken, einmal diese Welt zu bereisen und all die Wunder zu sehen, von denen sie gehört hatten.
    Aruula rief sich die schicksalhafte Bootsfahrt mit ihrem Vater in Erinnerung. Damals hatte sie zum ersten und letzten Mal in ihrem langen Leben die Insel verlassen.
    Wenn ihre Enkel von der Welt erzählten, dachte Aruula an die Stimme, die sie als junges Mädchen gehört hatte. Wie wäre ihr Leben wohl verlaufen, hätte sie damals den Schritt in die Welt gewagt? Wen hätte sie getroffen und was gesehen…?, Was wäre, wenn…, dachte sie und schloss die Augen.
    ***
    Die Spritze verharrte zitternd in der Luft.
    Matt hob den Blick zum Gesicht des Blinden. Der Schweiß lief dem alten Mann in Bahnen über die Stirn und versickerte in den Mullbinden. Schwarze Flecken schimmerten durch seine blasse Haut.
    Er hat selbst die Pest!, erkannte Matt.
    Der Blinde ließ die Spritze sinken und wankte. Der Assistent griff nach seinem Arm, als er in sich zusammensackte.
    Die Heiler, die an der rechten Wand gestanden hatten, stürmten vor. Einige Momente lang herrschte ein heilloses Durcheinander. Jeder wollte dem Blinden zuerst helfen. Es dauerte fast eine Minute, bis sich eine Gruppe herausgebildet hatte, die den Greis auf die Schultern nahm und aus dem Raum trug. Matt nutzte die Zeit, um sich Gedanken über eine Flucht zu machen. Er spürte seine Ausrüstung in den Taschen der Uniform. Mit den Fingern der linken Hand tastete er nach dem Messer, konnte es aber nicht erreichen. Seine Fingerkuppen berührten nur den Stoff der Hose.
    Er fluchte. Der Zusammenbruch des Blinden hatte ihm zwar ein wenig Zeit verschafft, aber was konnte er schon unternehmen, wenn er keine Bewegungsfreiheit besaß?
    Dass er auch keine Zeit mehr hatte, merkte er erst, als sich kühle Finger auf seine Armbeuge legten.
    Matt warf den Kopf herum.
    Der Assistent des Blinden stand drohend über ihm. In einer bandagierten Hand hielt er die aufgezogene Spritze.
    Alle Furcht, die Sorge um Aruula und die Anspannung der letzten Stunden entluden sich in einem verzweifelten Ausbruch. Matt bäumte sich in den Fesseln

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