0151 - Die Gruft der Leichenräuber
leise zu sein, der Kerl sollte merken, daß jemand kam.
Und er merkte es auch.
Will Mallmann war nicht nur am Grab hocken geblieben, er hatte auch hin und wieder eine kleine Runde um die alten Gräber gedreht. Einmal hatte er sogar geglaubt, einen Automotor zu hören, es jedoch hinterher als Täuschung abgetan.
Und dann sah er die Frau.
Sie tauchte wirklich wie ein Geist zwischen den hohen Grabsteinen und dem Unkraut auf. Mit nahezu lasziver Lässigkeit bewegte sie sich voran. Den Reißverschluß der Jacke hatte sie geöffnet, und Will konnte erkennen, welch eine provozierende Figur die Frau da zur Schau trug. Das war wirklich ein Rasseweib. Die langen roten Haare wurden vom Wind bewegt und flatterten wie eine Fahne.
»Hi«, sagte sie, als sie vor dem Kommissar stehenblieb.
Will sprach sie an. »Haben Sie sich verlaufen?«
Die Rothaarige antwortete in Englisch. »Vielleicht. Ich wollte einen Spaziergang machen.«
Mallmann schaltete auch auf die andere Sprache um. »Es ist seltsam, daß man sich um diese Zeit auf einem alten Totenacker verläuft. Wie kommen Sie hierher?«
Viola hob die Schultern. »Ich mache hier in der Gegend Urlaub. Bei Verwandten.«
»Und dann zieht es Sie auf einsame Friedhöfe?« Längst war Wills Mißtrauen geweckt. Er hatte die Frau zwar noch nie gesehen, aber er ahnte, daß mit ihr etwas nicht stimmte. Jetzt fiel ihm auch wieder das ferne Geräusch des fahrenden Wagens ein, das er gehört hatte.
Es war also keine Täuschung gewesen.
Viola senkte den Blick. »Nein, auf einen Friedhof wollte ich nicht. Aber meine Schwester hat mir von dieser Ruine erzählt, die hier in der Nähe liegen soll. Ich fand sie nicht und bin hier auf dem Friedhof gelandet.«
»Das soll ich Ihnen glauben?«
»Warum nicht? Ich frage Sie ja auch nicht, was Sie hier wollen. Jeder kann doch hingehen, wo er will. Deutschland ist ein freies Land. Das sagt immer meine Schwester, die mit einem Deutschen verheiratet ist.«
Die Lüge rutschte der Mandini so glatt über die Lippen, daß sie sich vor lauter Lob hätte selbst auf die Schulter schlagen können.
Damit täuschte sie sogar einen alten Fuchs wie Kommissar Mallmann. Er fiel auf Viola rein.
»Na ja«, sagte er lächelnd, »kann ja mal passieren. Aber Sie sollten sich trotzdem vorsehen. Dieser Friedhof ist wirklich nicht ungefährlich, Miß.«
»Wenn Sie doch bei mir sind«, erwiderte Viola mit rauher Stimme.
In ihr lag ein Timbre, das seine Wirkung auch bei Will Mallmann nicht verfehlte.
»Nun, ich, also ich habe andere Aufgaben zu erfüllen«, sagte der Kommissar.
»Welche denn?« Viola stellte die Frage und schaute dabei an Mallmann vorbei. Sie hatte Mühe, ein triumphierendes Lächeln zu unterdrücken, denn sie sah, daß sich Lady X schon ziemlich nahe an den Mann heranbewegt hatte.
Lautlos, versteht sich. Und die Maschinenpistole hielt sie schußbereit.
Viola überlegte fieberhaft, wie sie das Gespräch weiter in Gang halten konnte. Ihr fiel auch etwas ein.
»Dann können Sie mir den Weg zur Ruine wohl auch nicht zeigen, Mister? Oder?«
»Nein.«
»Muß ich allein gehen?« Viola zog einen Schmollmund wie damals die Bardot zu ihren Glanzzeiten.
»Sie sollten gar nicht gehen«, schlug Will Mallmann vor. »Es wird schon fast dunkel. Außerdem ist es gefährlich, die Ruine zu betreten, habe ich mir sagen lassen.«
»Wieso?« Viola riß die Augen auf und schaute Will mit einem unschuldigen Blick an, während sich hinter dem Rücken des Kommissars Lady X langsam aufrichtete.
Sie war nur vier Schritte entfernt.
Will hob die Schultern. »Na ja, die Ruine ist eine Trümmerlandschaft. Alles nur Bruch. Man kann leicht einen Fehltritt machen und irgendwo reinstürzen. Das lohnt sich wirklich nicht. Setzen Sie sich in Ihren Wagen, und fahren Sie wieder ab.«
Viola hob die Schultern. Die Stirn legte sie dabei in Falten und tat, als müßte sie überlegen.
»Es ist wirklich besser«, drängte Will Mallmann.
Das war der Augenblick, auf den Lady X gewartet hatte. Einen Schritt ging sie noch vor, dann sagte sie mit klirrender Stimme: »So, du Ratte, wenn du nur eine falsche Bewegung machst, bist du ein toter Mann. Rühr dich nicht!«
Will Mallmann versteifte…
***
Herman Deubzer hatte sich wieder hinsetzen müssen. Sein linker Fuß schmerzte zu stark, und der Knöchel wurde immer dicker.
Hermann konnte dabei zuschauen, wie er anschwoll.
»Scheiße!« schimpfte der Junge, winkelte das Bein an und rollte den Socken nach unten.
Verfärbt hatte sich
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