0151 - Die Gruft der Leichenräuber
Vergleich mit Fingern durchaus standhielten.
Welch ein Wesen mochte dort hausen?
Hermann Deubzer verging fast vor Angst. Er hatte das Gefühl, sein Rückgrat würde sich in eine Eisstange verwandeln. Er war plötzlich unfähig, sich zu bewegen, die nackte Angst hielt sein Herz wie mit Riesenhänden umklammert.
Wie hatten die Leute noch erzählt?
In dieser Ruine würde das Grauen wohnen. Ja, sie hatten völlig recht, das Grauen wohnte hier. Keine Gespenster oder Geister, sondern ein schleimiges Ungeheuer, das seinen Platz in den Tiefen des Burgverlieses hatte.
Die Steinplatte bewegte sich weiter nach oben. Eine große Kraft mußte in dem Ungeheuer stecken, das so etwas schaffte. Schon bald stand sie hochkant und kippte an der anderen Seite zurück.
Eine Öffnung lag frei!
Aus ihr stieg der Ghoul.
Hermann Deubzer konnte ihn noch nicht richtig erkennen, aber er nahm den penetranten Leichengeruch wahr, der ihm entgegenwehte. Noch nie in seinem Leben hatte er so etwas gerochen, und es wurde ihm regelrecht übel.
Hermann hatte Mühe, sich nicht zu übergeben. Er schluckte, atmete durch die Nase und zitterte wie Espenlaub. Seine Zähne klapperten aufeinander, als er zusah, wie sich der Ghoul mit seinem gesamten Körper aus der Luke schob.
Der Dämon war nur ein widerliches, schleimiges Etwas, aufgequollen, aufgedunsen, in seiner Urgestalt vor dem Jungen stehend, wobei Hermann die Andeutung eines Gesichts bei diesem schrecklichen Wesen erkannte..
Mehr aber nicht.
Der Ghoul war erregt. Er sonderte Schleim ab, der sich auf dem Boden ausbreitete und wie eine zähe Masse hinter ihm herfloß, als er sich auf Hermann zubewegte. Seine Gestalt wirkte fast durchsichtig. Hermann glaubte, die Adern hinter der wie Glas wirkenden sirupartigen Masse zu erkennen, das Zucken und Pulsieren, und er hörte auch die schmatzenden, gurgelnden Laute, die ihm dieser Ghoul entgegenschleuderte.
Seine Angst steigerte sich noch mehr.
Normalerweise wäre er weggelaufen, aber durch den Fall hatte er sich nun mal den Fuß verstaucht, so mußte er bleiben und sich dem Wesen stellen.
Hermann Deubzer wußte genau, daß der Ghoul ihn töten wollte.
Solch ein Monster ließ keine anderen Lebewesen in Ruhe. Das war ihm mit erschreckender Deutlichkeit klargeworden.
»Weg!« keuchte er. »Geh doch weg!«
Der Ghoul hörte nicht, er kam näher. Das Opfer war ihm sicher.
Auch Hiberno, der noch nicht erschienen war, würde sich darüber freuen. Sie hatten wieder einen.
Hermann war sich darüber klar, daß er etwas unternehmen mußte. Er durfte nicht so hockenbleiben. Er wollte und mußte sich wenigstens wehren.
Aber wie?
Er hatte keine Waffe. Doch da fiel ihm sein Messer ein, daß er immer bei sich trug. Es war ein Fahrtenmesser und hatte ihm auf seinen Waldspaziergängen schon des öfteren gute Dienste erwiesen.
Es steckte im Gürtel.
Fieberhaft tasteten Hermanns Hände nach dem Messer, fanden den Griff und zogen die Klinge aus der Scheide.
Dem Jungen war jetzt etwas wohler, obgleich er nicht daran glaubte, daß er dieses Wesen mit dem Messer besiegen konnte. Er wechselte es in die linke Hand, beugte sich nach rechts und stützte sich auf. So konnte er auf die Beine kommen.
Dabei bemühte er sich, das Gewicht nur nicht auf den linken Fuß zu verlagern, was ihm auch gelang.
Er nahm das Messer wieder in die Rechte.
Hart umklammerte seine Hand den Griff aus Hirschhorn. Er war ein wenig in die Knie gegangen, hatte sich auch dabei zur Seite geneigt und berührte nur mit der linken Schuhspitze den Boden.
So erwartete er den Ghoul.
Der kam. Er wälzte sich irgendwie träge heran, sonderte dabei immer mehr Schleim ab und stieß schmatzende Laute aus.
Da stach Hermann zu.
Leicht drang die Klinge in den schleimigen Körper und verschwand darin. Hermann sah sie sogar noch durch die Haut schimmern, aber sie erzielte keine Reaktion. Der Ghoul zuckte weder zurück, noch krümmte er sich. Er ging einfach weiter.
Trotz des in seinem Körper steckenden Messers!
Als wäre der Griff glühend heiß, so hastig ließ Hermann ihn los.
Er war geschockt, wußte nicht mehr, was er tun sollte, und sah mit Schrecken das im Körper des Ghouls steckende Messer.
Er wich zurück.
Dabei achtete er nicht mehr auf sein Bein, belastete den linken Fuß, und der stechende Schmerz breitete sich schnell wie ein Blitzstrahl in seinem Körper aus.
Hermann Deubzer konnte die Balance nicht mehr halten, verlor das Gleichgewicht und fiel nach hinten. Hart kam er auf, kippte
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