0152 - Größer als die Sonne
der Polturmplattform die Nachricht zukommen, daß er vor der Ringmauer stand. Zwei Tränengasraketen waren vor wenigen Minuten dicht neben ihnen explodiert, und immer noch weinten mehr als fünfzig Mann, die ihr eigenes Erzeugnis verwünschten.
„Seile hochschießen!" befahl Herzog, während zweihundert Meter weiter zurück kleine Raketen die Mauerkrone unter Beschuß nahmen und sie von den letzten Verteidigern säuberten.
Zehn Spezialraketen, die Plastikseile zur Mauerkrone hochzogen, zischten senkrecht vor der Mauer in den Himmel.
In rund vierzig Metern Höhe, nach einer bestimmten Brenndauer, sollte die abbrennende Pulverladung gleichzeitig eine Sperre an den stabilisierenden kleinen Flossen durchbrennen. Dadurch wurde Federdruck frei, der das Leitwerk blitzschnell um hundert Grad versetzen sollte, um der Rakete Kurs über die Mauerbrüstung zu geben.
Drei von zehn Raketen waren Versager. Statt über die Mauer in die Stadt zu fliegen, kippten sie aus ihrem Senkrechtflug in die entgegengesetzte Richtung.
Sieben Seile lagen jetzt über der Mauerkrone. Sieben Mann spulten die Seile zurück. Jeder hoffte, daß der kleine stabile Haken am anderen Ende des Plastikmaterials irgendwo in einer Mauerfuge hängen bleiben würde.
„Fünfmal kam der Ruf: „Seil fest!" die beiden anderen Seile fielen aus dreißig Metern Höhe wieder zu Boden.
Der schwierigste Teil der Expedition begann jetzt: an dünnen Seilen vierzig Meter hoch klettern! Für diese Aktion hatten sich schon im Explorer Freiwillige gemeldet; einer davon hieß Tyll Leyden.
„Was können Sie nicht?" fragte Herzog ihn jetzt, verstummte aber, weil hinter ihm Schüsse krachten.
Wind war aufgekommen, und der fegte die Gaswolken davon.
„Sir, geben Sie Befehl, die Mauerkrone unter ständigem Beschuß zu halten. Ich mache allein dort oben die Brüstung frei!"
Herzog, hinter einem mannshohen Felsen liegend, hatte Bedenken. „Das ist Selbstmord!"
„Hier unter Beschuß zu liegen ist auch kein Vergnügen!" Das war Leydens Antwort „Aber wie Sie befehlen, Sir!"
„Leyden, Sie können einen erwachsenen Mann rasend machen", wollte Herzog ihm sagen, statt dessen rief er nach hinten lautstark den Befehl: „Mauerkrone unter Gewehrfeuer nehmen, trotzdem sparsam mit Munition umgehen!"
Als er wieder zur Seite blickte, war Tyll Leyden schon verschwunden. „Und diesen Mann habe ich einmal für eine Schlafmütze gehalten", sagte Thomas Herzog konsterniert.
Leyden stand an der Mauer, ließ sich von zwei anderen deren Tränengasbomben aushändigen, brachte sie in irgendwelchen Taschen unter und griff nach einem der fünf Plastikseile.
In diesem Moment setzte starkes Gewehrfeuer ein. Gleichzeitig wurde das Artilleriefeuer vom Waldrand her an die Mauer verlegt.
Die ersten Granaten schlugen in gefährlicher Nahe der dreihundert Mann starken Kampftruppe ein.
Tyll Leyden hinderte dies nicht, mit Hilfe des Seiles an der Mauer hochzusteigen. Die Fugen zwischen den einzelnen Steinblöcken waren oft handbreit und erleichterten ihm das Klettern ungemein.
Zügig kam er höher. Die Last, die er mitschleppte, schien ihn zu stören. Herzog, der ihn beobachtete, glaubte es wenigstens. Tyll Leyden aber war der Ansicht, daß ihn brutale, unsichtbare, Kräfte zurückhielten.
Niemand sah sein verzerrtes Gesicht, Niemand hörte ihn keuchen. Niemand wußte, daß seine Handflächen schweißnaß wurden und er dadurch am Seil kaum noch Halt fand.
Gut die Hälfte der Ringmauer hatte er erklettert, als er nicht mehr weiter konnte. Er mußte pausieren.
Da gellte ein Schrei zu ihm hinauf. Was er nun sah, jagte ihm kalte Schauer über den Rücken.
Oben, an der Kante der Brüstung, wurde ein gewaltiger Felsbrocken immer weiter vorgeschoben - Zentimeter um Zentimeter. Tyll Leyden horte, wie wild das Feuer aus den selbstgefertigten Gewehren wurde. Seine Kameraden versuchten, die Kugelbauchwesen, die den Stein über die Kante kippen wollten, zu vertreiben. Es gelang ihnen nicht, Der Stein war zu groß und bot den Impos dahinter volle Deckung.
Tyll Leydens rechte Hand umklammerte das Seil zehn Zentimeter höher. Wenn er nicht gleich von dem Felsbrocken getroffen und in die Tiefe gerissen werden wollte, dann mußte er jetzt alles auf eine Karte setzen.
Nur mit der rechten Hand hielt er sich fest. Mit der anderen nahm er das Seil, legte es als Schlinge um sein linkes Handgelenk und zog sie durch sein Körpergewicht fest. Unverwandt sah er dabei nach oben. Senkrecht über ihm rutschte der
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