0156 - Perlen, Gangster, Menschenhaie
riss er das Gewehr hoch. Aber er hatte Pech. Ich stand ihm viel zu nahe. Mit der linken Hand packte ich den Lauf, mit der rechten den Schaft und drehte es ihm aus der Hand. Ich warf es beiseite und duckte einen rechten Haken ab, den er vorschoss. Er zog die Linke unter der Gürtellinie nach, aber ich schlug sie ihm von oben her weg, sodass seine Faust ziemlich wirkungslos auf meinen rechten Oberschenkel traf.
Fast im gleichen Augenblick aber landete ich meine kurze Serie. Ich täuschte rechts einen Leberhaken, er fiel darauf herein und wollte abdecken. Dadurch stand sein Kinn ungedeckt und geradezu einladend vor meiner Linken. Ich setzte sie ihm auf den Punkt und schickte ihn damit auf die Bretter oder besser: auf den weißen Sand, wo er weicher fiel, als er es verdient hätte.
Ich ließ ihn einfach liegen und ging ins Haus.
***
In den nächsten Tagen gab es vorläufig keine unvorhergesehenen Zwischenfälle mehr. Flint hatte eingesehen, dass er mit uns nicht machen konnte, was er wollte, und ließ uns in Ruhe. Wir dagegen sahen jeden Morgen die Gewehre nach, bevor wir hinausfuhren und wir nahmen uns auch jeden Morgen noch zusätzlich eine Handvoll Patronen mit.
Die Haie hielten sich drei oder vier Tage draußen, dann, eines frühen Nachmittags, schossen sie zu sechst heran. Wir bedachten sie mit unseren Kugeln. Vier bekamen die ersten Patronen ab und wurden sofort von ihren Artgenossen zerrissen, die daraufhin abdrehten, als ob sie nun gesättigt seien.
Schon am vierten Abend merkte ich, dass Flint irgendetwas hatte, als wir von der Bucht hereinkamen und ihm den kleinen Lederbeutel überreichten, in dem die Tagesausbeute an Perlen lag. Aber er sagte nichts. Wir warteten, bis das Abendessen vorbei war und allgemein Zeichen von Müdigkeit angedeutet wurden.
»Ich gehe jetzt schlafen«, sagte ich. »Ich bin müde. Gute Nacht!«
»Nacht«, brummten die anderen, während Phil und ich das Blockhaus verließen.
Wir gingen zum Zelt. Es stand nur ein paar Yards vom Haus entfernt. Ich kroch hinein, Phil kam hinter mir her.
»Was ist los?«, fragte er leise. »Du hast doch etwas vor?«
»Ja, ich will mal sehen, ob wir sie belauschen können.«
»Was versprichst du dir davon?«
»Ich weiß es selbst nicht. Flint ist seit gestern oder vorgestern so verteufelt freundlich zu uns. Das muss doch seinen Grund haben.«
»Ich habe es auch gemerkt. Vielleicht bringen wir bessere Perlen als die anderen nach Hause?«
»Gut möglich. Es kommt mir vor, als ob die Eingeborenen bei uns besonders fleißig wären. Vielleicht wollen sie sich auf diese Weise für meinen Kampf mit dem Hai bedanken.«
Wir warteten noch ein paar Minuten, dann huschten wir zum Zelt hinaus und zum Blockhaus. Eng an die Wand gedrückt, lauschten wir unterhalb der Schießscharte, die in den hinteren Raum führte. Man konnte ihre Stimmen vernehmen.
»… sind tatsächlich Gold wert!«, lachte Flint gerade. »Das ist die beste Ausbeute, die wir hier je erzielt haben!«
»Na und?«, knurrte derjenige, den wir inzwischen als Pedro Marcello, einen Ibero-Amerikaner, kennengelernt hatten. »Dafür müssen wir doch auch durch acht teilen! Wo bleibt da unser Vorteil?«
»Du bist ein großer Idiot«, stellte Flint kategorisch fest. »Meinst du im Ernst, dass ich mit denen teile?«
Verblüfftes Schweigen folgte. Dann lachte jemand. Es klang nach dem Kerl, der ein bisschen schielte und Archy Melane heißen wollte.
»Wie stellst du dir das vor?«, fragte er.
»Ganz einfach. Wenn es so weit ist, dass wir die Insel verlassen, wollen wir uns doch vorher noch die Perlen aus dem Tempel holen, nicht? Dabei nehmen wir die beiden mit. Auf dem Rückweg ergibt sich schon eine Möglichkeit, ihnen eine Kugel in den Kopf zu jagen. Niemand kann wissen, dass sie hier sind. Also kann auch niemand erfahren, dass sie hier umgekommen sind. Das ist doch logisch.«
Ich gab Phil mit dem Kopf ein Zeichen. Wir schlichen zurück ins Zelt.
»Ein lieber Mensch«, sagte Phil. »Diesem Flint möchte ich mal einen ehrlichen Faustkampf liefern können. Nur schade, dass er ihn nicht herausfordert.«
»Wir werden noch genug mit denen zu tun kriegen«, meinte ich. »Aber mir gefällt die ganze Sache nicht mehr. Jetzt sind wir schon ein paar Tage hier und doch noch nicht weiter als am Anfang, denn wir haben noch immer keine Ahnung, wo Flint den Häuptling versteckt hält. Wir müssen uns das noch einmal überlegen. Es kann nicht noch wochenlang so weitergehen.«
Wir sprachen noch eine ganze
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