0159 - Seance des Schreckens
Verstärker arbeitete Zamorra sich förmlich in Nicoles Erinnerungsvermögen hinein. Es war ein Vorgang, dessen Grundsatzvoraussetzung grenzenloses Vertrauen beider Beteiligten ist. Bei einer anderen Person wäre Zamorras Versuch - wenn auch nicht gescheitert -mit ziemlicher Sicherheit auf erhebliche Schwierigkeiten gestoßen.
So aber erreichte er relativ schnell sein Ziel. Er schmolz sich förmlich in den Hypno-Block hinein und zerstörte ihn mit raschen Stößen seines kraftvollen Geistes. Dann zog er sich wieder zurück.
Er hatte die Sperre beseitigt, etwas, das unter normalen Umständen nur der Hypnotiseur selbst kann - oder der Kollege muß über sehr starke eigene Fähigkeiten verfügen, um den Block gewaltsam zu sprengen, weil er nicht weiß, auf welche Weise er angelegt wurde. Zamorra war kein starker Para, seine Fähigkeiten wirkten nur daher überragend, weil er das Amulett als Verstärker benutzte, dennoch hätte er den Versuch sofort abgebrochen, wenn er hätte feststellen müssen, nur mit Gewalt vorgehen zu können. Denn ein gewaltsames Beseitigen einer hypnotischen Sperre birgt immer das Risiko in sich, daß irgendetwas verfälscht oder gar zerstört wird…
Nicole lächelte ihn an.
»Tatsächlich«, sagte sie. »Jetzt weiß ich, daß da ein Loch war, gewissermaßen eine Umleitung.«
»Und?« fragte Zamorra. »Was ist da geschehen?«
»Du warst weg«, sagte sie. »Dann kam nach einiger Zeit der Krankenwagen und humpelte durch das Gelände. Sie luden die beiden Menschen ein und verschwanden wieder. Um die Rieseneule haben sie sich überhaupt nicht gekümmert. Vielleicht haben sie sie in der Dunkelheit für einen Condor gehalten, falls es die in dieser Gegend gibt.«
»Gibt es nicht. Wir sind hier in Europa.«
»Dann eben für eine optische Täuschung oder so etwas. Jedenfalls ließen sie mich mit dem Biest allein. Ich wartete also auf deine Rückkehr, und dann sprang mich jemand von hinten an, schlug mich zu Boden und entriß mir das Amulett. Er warf es irgendwohin, wo ich es nicht mehr sehen konnte. Anschließend hat er mich hypnotisiert.«
»Wie denn das?« wunderte sich Zamorra. »Er hypnotisierte dich, bevor er die Eule vernichtete?«
»Ach so… nein, aber das nahm ich nur am Rande wahr. Er sagte etwas in einer mir unbekannten Sprache, und die Eule zerbröckelte einfach zu Staub. Dann nahm er mir durch seine Hypnose die Erinnerung und verschwand. Als ich die Augen wieder öffnete, die ich hatte schließen müssen, war er weg, und ich wußte wohl nichts von ihm.«
»Ob er das weggeworfene Amulett wieder aufnahm, hast du nicht erkennen können?«
»Nein…«
»Nun, ich werde mich noch genauer darum kümmern müssen. Vor allem, warum das Amulett geschrumpft ist. Wahrscheinlich erbringt es jetzt auch nur noch die halbe Leistung…«
In diesem Moment klopfte jemand dezent an die Zimmertür.
»Herein«, verlangte Nicole laut.
Die Tür wurde aufgestoßen. Iljuschin stand mit breitem Grinsen auf dem Korridor.
»Dan Jay ist eingetroffen, Zamorra. Ich werde mich zu ihm setzen. Wenn Sie und Mademoiselle sich anschließen wollen…«
»Vielleicht«, sagte Zamorra nach einem kurzen Blickwechsel mit Nicole. »Das Krankenhaus in Prien läuft uns nicht weg, und vor Einbruch der Nacht wird der Spuk ohnehin nicht wieder auftauchen. Wir haben also Zeit. Sehen wir uns den Mann einmal an.«
Zamorra ahnte nicht, wie sehr er sich irrte.
Der Urheber des Spuks war längst sehr aktiv…
***
Dan Jay erwies sich als freundlich lächelnder Mann in Zamorras Alter, groß, schlank und mit einem kleinen Oberlippenbart. Seine Augen blickten aufmerksam umher. Er stand neben dem Durchgang zur Terrasse und unterhielt sich mit einigen jungen Leuten.
»Was ist das für ein Mann?« fragte Zamorra.
»Ein Autor«, sagte Iljuschin, »der früher eine Menge utopischer Romane verfaßt hat, jetzt aber nur noch fantastische Abenteuer schreibt, mit etwas Grusel-Touch darin. Er hat eine faszinierende Serie geschaffen, die eine entfernte Ähnlichkeit mit der ›Straße der Götter‹ aufweist, wenn man auf die Einzelheiten achtet. Die Leute, die sich heute mit ihm treffen wollen, sind allesamt Fans dieser Serie und wollten sich mit ihm darüber unterhalten.«
»So ähnlich wie die ›Star Trek‹-Fans drüben in den Staaten«, murmelte Zamorra.
»Mit ›Raumschiff Enterprise‹ läßt sich das hier von der Größe der Organisation her natürlich nicht vergleichen«, schränkte Iljuschin ein. »Aber vielleicht wird es in
Weitere Kostenlose Bücher