016 - Das Dämonenauge
Augen als Pfand.«
Hunter hatte schon einiges mit Dämonen erlebt und vieles über sie gehört und gelesen, aber die Vorstellung, daß Asmodi eines seiner Augen als Pfand gegeben hatte, kam ihm zu unglaublich vor. »Und wo soll sich dieses Auge befinden?«
»Es wurde in eine Statue eingepflanzt. Es ziert den Kopf einer wertvollen Figur, die den Schlangengott Damballa darstellt.«
Dorians Gedanken wanderten im Kreis. Er konnte das eben Gehörte nicht glauben. Niemals würde sich Asmodi von einem seiner Augen trennen. Die Gefahr, daß es in die Hände seiner Feinde geriet, war zu groß. Weshalb sollte Asmodi so ein großes Risiko auf sich nehmen? Da mußte wesentlich mehr dahinterstecken.
»Und du bist sicher, daß diese Zauberin noch am Leben ist?«
»Ja. Als ich auf der Teufelsinsel gefangen war, konnte ich meinen Geist von meinem Körper lösen, und da gelang es mir auch, nach Haiti zu kommen. Ich sah die Zauberin und die Statue. Das Auge befand sich im Schlangenschädel. Ein riesiges, blutrotes Auge, das wie ein kostbarer Rubin leuchtet.«
Dorians Erregung wuchs. Wenn das stimmte, konnte er tatsächlich Asmodi vernichten. Er brauchte nur das Auge zu verbrennen, und der Herr der Finsternis würde sterben.
Aber augenblicklich bekam er Zweifel. Olivaro hatte ihm gesagt, daß Asmodi über jeden seiner Schritte informiert war. Er mußte also schon längst in Erfahrung gebracht haben, daß er hinter dem Pfand her war. Wahrscheinlich hatte Asmodi das Auge schon in Sicherheit gebracht. Möglicherweise war auch Valis Erzählung erfunden. Aber das würde sich bald herausstellen.
»Das Gehirn arbeitet wieder!« rief Dr. Harvey verblüfft aus. Deutlich waren die Zacken auf dem EEG-Monitor zu erkennen.
»Sein Geist ist wieder zurückgekehrt«, sagte Coco.
George Calbot atmete ruhig. Sein körperliches Befinden war ausgezeichnet. Das neue Herz schlug völlig normal. Sein Gehirn hatte aber einige Stunden nicht gearbeitet.
Während der vergangenen Stunden, die mit quälendem Warten ausgefüllt gewesen waren, hatte sich Coco eingehend mit Dr. Harvey unterhalten. Er hatte einige andere Ärzte zu Rate gezogen, die den Tatsachen fassungslos gegenüberstanden. Er selbst hatte sich zuerst geweigert, an die Möglichkeit einer Metempsychose zu glauben. Aber jetzt war er fast davon überzeugt, daß Coco recht hatte und eine Seelenwanderung vorlag.
Calbot bewegte sich unruhig. Die Zacken wurden kräftiger. Schließlich schlug er die Augen auf. Er atmete rascher. Es dauerte einige Sekunden, bis ihm bewußt wurde, wo er sich befand. »Gott sei Dank!« sagte er stockend. »Gott sei Dank!«
»Was ist geschehen?« fragte Coco. »Wieder die Träume?« Sie hatten beschlossen, Calbot gegenüber nur von Träumen zu sprechen und ihm die schreckliche Wahrheit zu verheimlichen.
»Ja«, stöhnte er. »Es war ein entsetzlicher Traum. Einfach fürchterlich!«
»Erzählen Sie!« forderte ihn Harvey auf.
»Der Traum war ähnlich dem vergangenen. Ich befand mich im Körper eines Farbigen. Als ich die Augen aufschlug, standen einige Leute um mich herum. Ich lag in einem Bett. Und da war wieder der Zwang, gegen den ich mich nicht wehren konnte. Ich habe das Haus verlassen. Ich mußte Dorian Hunter töten und das Mädchen befreien. Aber sie sind mit einem Jeep geflohen. Ich habe mich gegen den Zwang gewehrt, doch er trieb mich immer weiter. Schließlich errang ich einen Teilerfolg: Der Körper gehorchte mir, und ich blieb stehen. Es war ein fürchterlicher Kampf. Ich weiß nicht, wie lange er dauerte, aber ich war zu schwach. Die fremde Macht hat mich besiegt. Ich nahm die Verfolgung wieder auf. Der Jeep ist steckengeblieben, und Hunter und seine Gefährten sind in die Berge geflohen.« Calbot schwieg eine Minute lang. Coco wischte den Schweiß von seiner Stirn.
»Schließlich habe ich die drei eingeholt«, erzählte er weiter. »Es war auf einer Geröllhalde. Sie haben Steine in meine Richtung gewälzt. Einigen konnte ich ausweichen, die anderen haben mich getroffen und in die Tiefe geworfen. Der Fall dauerte unendlich lange. Tausende von Steinen bedeckten meinen Körper. Ich versuchte mich zu befreien, aber es war unmöglich. Und dann war der Traum zu Ende … Gibt es denn keine Möglichkeit, diese fürchterlichen Träume zu verhindern, Doktor?«
»Wir werden uns bemühen«, sagte Harvey. »Versuchen Sie jetzt wieder einzuschlafen, Mr. Calbot.«
»Nein!« er heftig. »Ich will nicht schlafen! Ich habe Angst vor diesen Träumen. Ich will
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