016 - Der Satanswolf
aufgerissenen Maul. Das bullige, mordlüsterne Ungeheuer versuchte Martina zu erwischen, doch die Frau schlug blitzartig einen Haken, und wieder zischten die rasiermesserscharfen Wolfskrallen knapp an ihr vorbei.
Der Weg zum Kruzifix war jetzt frei für sie. Detlev befand sich nicht mehr zwischen ihr und dem Kreuz.
Ich muß es haben! dachte Martina verzweifelt. Ich muß es in meine Hände nehmen! Nur so kann ich den Wolf in die Flucht jagen!
Mit langen Sätzen rannte sie durch das Wohnzimmer. Sie stieß einen Ledersessel auf Rollen zur Seite. Das Sitzmöbel bewegte sich dumpf grollend auf den Schrank zu und krachte dagegen.
Nippessachen fielen klappernd um.
Der Wolf erkannte, was die Frau vorhatte. Gegen das Kreuz selbst konnte er nichts unternehmen. Aber er vermochte mit seiner Para-Kraft zu erreichen, daß Martina sich damit nicht bewaffnen konnte.
Böse knurrend schickte er einen Magie-Impuls los. Gebündelte schwarze Kraft prallte gegen die Decke, die sofort tiefe Risse kriegte und aufbrach. Verputz prasselte herunter. Deckenziegel lösten sich und fielen herab. Betonbrocken hämmerten vor Martina Menningmann auf den Boden.
Sie stoppte. Staub stürzte sich in ihre Lungen. Sie hustete. Hinter einer dicken grauen Wolke war das Kreuz verschwunden, und die Frau konnte nicht zu ihm, ohne Gefahr zu laufen, von herabstürzenden Ziegeln erschlagen zu werden. Aufgewühlt kreiselte sie herum.
Der Wolf lachte knurrend. Es hörte sich scheußlich an. Das grauenerregende Tier drängte Martina geschickt ab. Sie kriegte einen Schürhaken zu fassen. Obwohl sie sich nicht vorstellen konnte, dem Satanswolf damit gefährlich werden zu können, stürmte sie todesmutig auf ihn ein.
Er hatte ihr seine übernatürliche Macht demonstriert, und es wäre für ihn leicht gewesen, sie nun aufzuhalten, nicht an sich heranzulassen. Doch sie sollte sehen, wie hilflos sie war, wie rettungslos sie ihm ausgeliefert war. In rasender Verzweiflung schwang sie den Schürhaken hoch.
Er surrte, als sie ihn mit großer Kraft durch die Luft zog. Das schwere Eisen landete genau zwischen den langen, gebogenen Hörnern des Satanswolfs. Martina hatte den Eindruck, sie hätte auf einen Granitblock gedroschen. Der Treffer prellte ihr den Schürhaken schmerzhaft aus der Hand.
Ihr hübsches Gesicht verzerrte sich. Sie stieß einen gepreßten Schrei aus und wankte zurück. Jetzt war sie mit ihrem Latein am Ende. Ratlos war sie. Mußte sie sich damit abfinden, daß dieses Monstrum sie töten würde?
Wieder lachte der Wolf!
Nein, nein, nein! Sie wollte nicht sterben. Großer Gott, es mußte doch eine Möglichkeit geben, dieser Bestie zu entkommen. Starr waren die Augen des Satanswolfs auf sie gerichtet. Sie zitterte am ganzen Leib, und Tränen quollen aus ihren Augen. Wenn sie sich auf die Knie fallen ließ und um Gnade bettelte – würde das etwas nützen?
Nicht bei diesem Scheusal. Vielleicht hätte sie noch eine Chance gehabt, wenn sie es nur mit jenem Detlev Menningmann von einst zu tun gehabt hätte. Doch den gab es nicht mehr. Das Bündnis mit der Hölle hatte ihn hartherzig und grausam gemacht. Gnade war ein Wort, das er aus seinem Vokabular gestrichen hatte.
Durchdringend starrte er sie an. Sein Blick sagte: Du mußt sterben! Wehr dich nicht dagegen! Es hat keinen Zweck!
Als er auf sie zukam, wich sie Schritt für Schritt zurück, und als sie die Spannung nicht mehr ertragen konnte, hetzte sie erneut los.
Er spielte mit ihr. Sie hatte das Gefühl, der Boden würde unter ihren Füßen plötzlich weich werden. Daunenweich. Sumpfweich. Sie blieb darin regelrecht stecken.
Magie!
Martina Menningmann kam nicht vom Fleck. Sie blickte zurück.
Der Satanswolf hob hechelnd seine Pranken. Die wulstigen Lippen schoben sich weit nach oben. Sie entblößten die eispickelähnlichen Zähne ganz. Durch sie wirst du sterben! dachte Martina verstört.
Sie werden sich tief in dein Leben graben! Du bist verloren!
Der Wolf erreichte sie, und Martina war in diesem schrecklichen Moment klar, daß ihre letzte Stunde geschlagen hatte…
***
»Dieses Haus!« stieß Rainer Trissenaar aufgeregt hervor. Er wies auf ein Gebäude mit Satteldach und Gaupe. Cremefarbener Außenputz, dunkelbraune Fensterläden. Ein herrlicher Kontrast, für den ich im Augenblick jedoch kein Auge hatte. Schön oder häßlich – es war egal, wie Markus Labers Haus aussah. Wichtig war nur eines: daß die Menschen, die darin lebten, noch lebten ! Daß sie noch nicht Kontakt mit dem
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