0161 - Zamorras Sarg

anders. Es gibt mit Sicherheit Situationen, in denen ich mit ihm überhaupt nichts anfangen kann, das Amulett aber alle Probleme löst.«
    Nicole hob die Schultern. »Hm« brummte sie.
    »Hm nicht, das bringt uns auch nicht weiter. Ich habe es leider nicht geschafft, den Standort unseres Freundes herauszufinden. Ich bin sicher, daß er die Explosion mehr oder weniger überstanden hat. Ich habe einfach zugeschlagen, ohne zu überlegen. Ich wollte keine Zeit verlieren. Und jetzt ist die Verbindung abgerissen. Sie brach sofort während der Explosion ab.«
    »Wir werden sehen«, murmelte Nicole.
    Zamorra straffte sich. »Ich werde jetzt Raffael Bescheid sagen. Es wird Zeit, daß er losfährt. Bis Lapalisse ist es eine weite Strecke, und Bill und Manuela sollen nicht übermäßig lange warten müssen.«
    ***
    Bei Einbruch der Dunkelheit kehrte der alte Diener mit Bill Fleming und der Studentin zum Château zurück. Vom Panoramafenster seines Arbeitszimmers aus - eine der wenigen baulichen Veränderungen, weil Zamorra viel Licht wünschte - hatte er die Scheinwerfer des Renault den Weg zum Schloß hinauf leuchten gesehen und war nach unten gegangen. Auch Nicole hielt sich bereits unten auf. Zamorra schaltete die Außenbeleuchtung ein und trat mit Nicole ins Freie.
    Der Wagen stoppte auf dem Schloßhof. Der Amerikaner und das braunhaarige Mädchen sprangen heraus. Manuela in Jeans, Bluse und leichter Jacke, Bill Fleming in beiger Cordhose und schwarzem Hemd.
    Durch Nicoles Körper ging ein heftiger Ruck. Plötzlich fühlte Zamorra ihre Hañd in seiner.
    »Wie im Traum«, stieß sie hervor. »Lieber Himmel, soll es denn wirklich wahr werden?«
    »Was ist wie im Traum?« fragte Zamorra nach.
    »Die Kleidung… Genau diese Sachen trug Bill in meiner Vision…«
    Zamorra sah sie ernst an. »Nicole, kennst du das Sprichwort, daß der Glaube Berge versetzen kann? Laß die Berge doch, wo sie sind! Es war ein Traum, mehr nicht. Denke einfach nicht mehr daran!«
    »Du hast gut reden«, erwiderte sie.
    »Du… ich will dich nicht verlieren, nicht auf diese furchtbare Weise. Ich liebe dich doch!«
    Er schloß sie in seine Arme und küßte sie sanft, bis ein lautstarkes Räuspern die beiden wieder auseinanderfahren ließ.
    »Das ist ja eine merkwürdige Art der Begrüßung«, sagte Bill kopfschüttelnd. »Jetzt schnappst du mir schon den Begrüßungskuß weg, Zamorra, dabei hast du Nicole doch ständig um dich und ich nur, wenn ich in eurer Nähe bin!«
    Er schlug Zamorra auf die Schulter und schüttelte ihm die Hand. Zamorra brachte ein unecht wirkendes Lächeln zustande. »Grüß dich, altes Haus. Gurten Flug gehabt?«
    Bill winkte ab. »Diese Flugzeuge sind auch nicht mehr das, was sie früher waren. Hallo, Nicole!«
    Er kam dann doch noch zu seinem Begrüßungskuß, während Zamorra die Studentin mit Handkuß begrüßte. »Huch!« sagte sie überrascht. »Hier geht’s ja heute arg vornehm zu!«
    »Zur Feier des Tages«, sagte Zamorra. »Kommt ins Haus, hier draußen wird es zu dunkel.«
    Einladend streckte er die Hand aus. Manuela trat ein, nach ihr Bill Und Nicole. Der Historiker hatte den Arm um Nicoles Schultern gelegt. Zamorra furchte verblüfft die Stirn. Hatte Nicole nicht berichtet, daß in ihrer Vision Bill ebenfalls den Arm auf ihrer Schulter hatte? Und dann die gleiche Kleidung…
    »Jetzt fange ich auch schon an, Gespenster zu sehen«, knurrte Zamorra laut. Bill wandte den Kopf. »Was nuschelst du da in deinen Bart?«
    Unwillkürlich griff Zamorra sich ans Kinn. »Erst mal haben, den Bart«, erwiderte er. »Bill, ob du es glaubst oder nicht:. Hier im Schloß spukt es neuerdings!«
    Bill ließ Nicole los und machte förmlich einen Luftsprung. »Das ist ja herrlich«, rief er. »Zamorra, kennst du nicht die alte Sehnsucht aller spleenigen Amerikaner: Einmal im Leben einen echten Schloßgeist sehen!«
    Im gleichen Moment donnerte der Schloßgeist gegen die große Glastür!
    ***
    Anstelle schwerer Eichenportale, wie sie zu Zeiten Leonardos existiert hatten, hatte Zamorra stabile Glastüren in den Eingang setzen lassen, durch die das Tageslicht ungehindert in die große Eingangshalle fallen konnte. Und vor diese Türen aus Panzerglas krachte jetzt ein dunkles, menschengroßes Etwas, stieß einen ultrahohen, Schrei aus, breitete riesige Schwingen aus und segelte wieder davon, hoch in den Himmel empor.
    Nicole schrie auf.
    »Der Vampir!«
    Mit ein paar Sprüngen war Zamorra an der Tür. Das Glas hatte dem heftigen Anprall