0161 - Zamorras Sarg
aber nicht erkennen, was es war.
Noch immer wartete er. Er mußte sicher sein, daß alles schlief. Dann war seine Zeit gekommen, dann würde er zuschlagen.
Endlich, nach zwei weiteren Stunden, war es soweit. Längst war Mitternacht vorüber, als er sich zum Handeln entschloß.
Er hatte sich die Lage jener Zimmer gemerkt, in denen zuletzt Licht gebrannt hatte. Das mußten die Schlafräume sein, dort würde er Menschen finden. In enger werdenden Kreisen stieß er herab. Er spürte die Existenz des weißmagischen Abwehrschirms, doch er hatte keine Wirkung mehr auf ihn. Es gab eine Lücke, die Zamorra nie bemerken würde, weil sie nicht dort war, wo er sie erwartete.
Sondern ganz woanders…
Der Vampir durchstieß den Abwehrschirm. Er glitt flügelschlagend an der Fensterfront vorüber. Zu seinem Ärger war keines der Fenster geöffnet -keines von denen, hinter denen es Menschen gab. Nur aus dem Erdgeschoß kamen lockende Signale, die er nicht völlig zu deuten verstand, und dort waren auch Fenster geöffnet. Aber irgendwie ahnte er, daß dort etwas nicht stimmte, und hütete sich, hineinzugleiten. Er widerstand der immer stärker werdenden Lockung. Erst wollte er einen Plan ausführen. Danach konnte er sich immer noch um das kümmern, was unten auf ihn wartete.
Vor einem der Fenster blieb er in der Schwebe. Wenige Schläge seiner weitgespannten Fledermaus-Flughäute genügten, ihn in der Luft zu halten. Er starrte in das Zimmer.
Eine junge Frau lag darin.
Der Vampir sandte seinen lautlosen Ruf aus.
***
Manuela Ford war rasch eingeschlafen. Da sie nicht selbst zu den unmittelbar Betroffenen gehörte, war sie kaum belastet. Sicher, sie wußte um die Probleme, mit denen sich Zamorra, seine Sekretärin und Bill herumzuschlagen hatten, hatte selbst auch schon einige Male mit im Brennpunkt der Ereignisse gestanden und wußte so gut wie wenige andere Menschen, daß die Bedrohung durch die Mächte des Bösen Realität waren und nicht nur die Hirngespinste irgendwelcher Horror-Schriftsteller. Aber sie wurde von all dem nur am Rande berührt.
Ruhig und traumlos lag sie in dem weichen, breiten Bett und schlief.
Aber da war plötzlich etwas, das sich förmlich in sie hineinschlich. Jemand bat um ihre Hilfe.
»Wer bist du?« murmelte sie im Schlaf.
öffne das Fenster, und du wirst sehen, raunte es in ihrem Kopf.
Die Stimme war nur in ihren Gedanken zu hören, aber überaus deutlich. So deutlich, daß sie davon erwachte.
»Was… wer?«
Du mußt das Fenster öffnen, damit ich hereinkann, wisperte es lautlos in ihr.
»Aber warum sollte ich? Ich liege hier so gut und weiß ja nicht mal, wer du bist«, brummelte sie.
Ich bin dein Freund. Du mußt offenen. Laß mich herein!
Immer eindringlicher wurde das Raunen. Manuela bemerkte nicht einmal, daß ihr Wille schwand. Sie warf die Decke zurück und schwang die langen, sonnengebräunten Beine aus dem Bett. Wie eine Schlafwandlerin stand sie auf und sah zum Fenster.
Etwas befand sich dahinter, das ihr die Erfüllung all ihrer Wünsche versprach. Ja, sie mußte das Fenster öffnen. Nur dann würde sie glücklich werden.
Und wer wollte schon freiwillig auf das Glück verzichten?
Nur mit ihrem jugendgefährdend kurzen Nachthemdchen bekleidet, huschte sie zum Fenster und legte die Hand an den Griff.
Ja, so ist es richtig, wisperte das Fremde von draußen. Nun öffne es ganz breit, daß ich herein kann. Beide Fensterflügel mußt du öffnen, damit es für mich einfacher geht.
Sie gehorchte.
Sie riß beide Fensterflügel auf und wich ein paar Schritte zurück, um Platz zu machen. Mit flappenden Schwingen glitt der Vampir herein und setzte sicher auf dem weichen Teppich auf.
Seine Gestalt schmolz sich jäh um. Die Flughäute verschwanden, das Gesicht veränderte sich nur leicht, wurde schmal und hart. Die dunklen Augen des schwarzgekleideten, hageren Mannes glommen gefährlich.
Er musterte das schlanke Mädchen.
Dann öffnete er den Mund, und die langen, spitzen Eckzähne schoben sich hervor.
Das war der Moment, in dem Manuela aus ihrer Trance erwachte. Der Anblick der Vampirzähne riß sie aus der Hypnose. Denn dieses Bild war zu stark in ihr eingeprägt…
Sie stieß einen gellenden Schrei aus, als der Vampir sich auf sie stürzte.
***
Zamorra schreckte hoch. Während er durch Händeklatschen das Licht aufflammen ließ, sah er Nicole an. Doch -das Mädchen wirkte diesmal völlig normal.
»Wieder…« setzte er an, doch Nicole reagierte sofort. »Nein, kein
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