0162 - Die Menschenfalle
betreten wollen?«
»Wir schon«, gab ich zurück. »Sind Sie es auch?«
»Aber ja. Ich sagte Ihnen ja schon: Der Teufel mag mich nicht.«
»Sind Sie ihm zu gut?«
»Eher das Gegenteil. Ich genieße eben die Schönheiten des Lebens. Ich lasse mir nichts entgehen. Man lebt schließlich nur einmal… Wenn man von Oscar Nash, dem Hexer, absieht, der – obwohl er längst tot ist – immer noch in diesem Haus leben soll.«
»So sagt man«, meinte Charles Chandler. »Würden Sie jetzt aufschließen, Mr. Nagalesco.«
»Mit dem größten Vergnügen«, sagte der Verwalter und drehte den Schlüssel. Er öffnete das Tor. Fauliger, naßkalter Geruch legte sich auf unsere Lungen. Es war düster im Haus.
Nichts von dem strahlenden, herrlichen Frühlingstag drang in dieses Gebäude. Licht wurde dort drinnen nicht gern gesehen. Natürlich nicht. Nash war ein Schattenwesen. Eine Gestalt der Nacht, die sich mit der Dunkelheit verbündet hatte.
Wir wollten eintreten. »Stopp!« sagte ich plötzlich und hielt Nagalesco zurück.
»Was ist denn?« fragte er mich lächelnd. »Geht es mit dem Spuk schon los?«
Ich wies auf die Stelle, auf die er seinen Fuß gesetzt hätte, wenn er das Haus betreten hätte. Sie befand sich noch vor dem Tor. Es glänzte etwas auf der grauen Steinstufe.
Mehrere Flecken. Feucht, rot.
Es war Blut!
***
Menschenblut, das konnte ich mit Sicherheit annehmen. Tom Levants Blut! Es war noch nicht eingetrocknet, glänzte noch so feucht, als wäre es eben erst auf die Stufe getropft. Das allein war schon mysteriös. Aber noch viel mysteriöser war die Tatsache, daß diese Blutstropfen in der vergangenen Nacht nicht zu sehen gewesen waren.
Wir folgten der Tropfenspur. Sie verlor sich in einer großen Halle.
Nick Nagalesco blickte sich um und schüttelte ärgerlich den Kopf.
»Mann, wie sieht’s denn hier aus?« Auch uns war die Unordnung aufgefallen. Ein fürchterlicher Sturm schien in diesem Haus getobt zu haben. Teppiche lagen in einer Ecke auf einem Haufen. Sämtliche Bilder hingen schief. Stühle und Sessel lagen auf dem Boden.
»Ich möchte wissen, wer das getan hat!« sagte Nagalesco grimmig.
»Wollen Sie es wirklich wissen?« fragte Charles Chandler. »Ich kann es Ihnen sagen: es war Oscar Nash.«
»Klar. Wenn jemand etwas anstellt, kann es ja nur Nash gewesen sein«, erwiderte der Verwalter mürrisch. »Wer sollte dafür sonst schon in Frage kommen?«
Ich nahm eine Bewegung aus den Augenwinkeln wahr, und drehte mich rasch um. Das Tor bewegte sich. Niemand berührte es. Es schloß sich von selbst. Ganz langsam.
Als es ins Schloß fiel, hallte ein dumpfer Laut durch das Haus.
Nick Nagalesco fand, daß es Zeit für einen neuen Spaß war. »Nun sind wir gefangen«, sagte er.
»Mr. Sinclair!« rief Joan Duxbury erstaunt aus.
»Nennen Sie mich John«, verlangte ich.
»Und mich Nick«, sagte Nagalesco vorlaut.
»Was ist?« fragte ich.
»Die Blutstropfen. Sie sind weg«, stellte Joan fest.
»Tatsächlich«, staunte der Professor. »Als wären sie niemals dagewesen.« Er blickte Nagalesco an. »Was halten Sie davon?«
»Wenn das der ganze Spuk ist…«, sagte der Verwalter und zuckte furchtlos mit den Schultern.
Chandler nickte. »Sie können sicher sein, daß das erst ein harmloser Anfang war.«
»Will Nash uns einstimmen?« fragte Nagalesco.
»Er wird nach und nach alle seine höllischen Register ziehen, darauf können Sie sich verlassen.« Der Professor schaute uns alle an.
»Ich bitte Sie, mir jede Wahrnehmung umgehend mitzuteilen, damit wir wichtigen Ereignissen sofort auf den Grund gehen können.«
In einer Ecke der Halle standen vier Steinfiguren. Sie stellten drei Männer und eine Frau dar. Die Frau kniete und hatte ihre Hände zum Gebet gefaltet, während die drei Männer mit gespannten Gesichtern um sich blickten.
Charles Chandler trat näher an die großen Figuren heran. Sie standen auf einem Steinsockel und überragten uns. Alle vier Gestalten waren überlebensgroß.
Chandlers Augen weiteten sich. »Das ist ja…«
»Schon wieder eine Überraschung?« fragte Nagalesco.
»Das kann man wohl sagen«, erwiderte der Parapsychologe. »Wie lange stehen diese Figuren schon hier?«
»Ich habe das Haus mit ihnen übernommen«, sagte der Verwalter.
»Haben Sie sich die Mühe gemacht, sich die Figuren genau anzusehen?« fragte der Professor.
»Nein. Ich schwärme nicht für Bildhauerei. Mir gibt eine tote Materie nichts. Ich halte mich lieber an die lebenden Figuren«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher