0162 - Die Menschenfalle
gewiß nicht lange Zeit.
Vorsichtig versuchte das Mädchen aufzustehen. Der Schmerz in ihrem Knöchel war glühend. Aber sie biß die Zähne zusammen und humpelte durch die Dunkelheit.
Mit einer Hand tastete sie sich an der Wand entlang. Sie erreichte einen Gang, ähnlich einem Kanalstollen. Er krümmte sich schon nach wenigen Yards, und der helle Schimmer von Tageslicht war zu erahnen.
Joans Herz schlug sofort schneller. Tageslicht! Was hatte das zu bedeuten? War sie auf dem Weg in die Freiheit? Sie wagte es nicht zu hoffen, weil sie Angst vor der Enttäuschung hatte.
Freiheit. Nicht mehr eingesperrt sein in diesem Spukhaus des Teufels. In dieser schrecklichen Menschenfalle, die so vielen schon zum Verhängnis geworden war. Gott, wäre das schön gewesen.
Joan Duxbury humpelte auf das Licht zu. Es wurde heller, füllte den Stollen mehr und mehr aus. Mit einemmal waren die Schmerzen in ihrem Knöchel nicht mehr so schlimm. Joan begann zu hoffen.
Weiter, drängte sie eine innere Stimme. Schneller. Vor dir liegt die Rettung. Du kommst durch.
Sie lief schon beinahe.
Der Stollen endete, und Joan trat in gleißendes Sonnenlicht. Sie war in einen Raum gelangt, dessen Decke aus einer massiven Betondecke bestand. Das Tageslicht fiel durch ein vergittertes Fenster, das jedoch so hoch oben war, daß man es nicht erreichen konnte, Die Mauern, die das blonde Mädchen umgaben, bestanden aus harten grauen Granitquadern.
Joan Duxbury blickte sich enttäuscht um.
Hier kam sie nicht ohne Hilfe raus. Aber wer hätte ihr helfen sollen? An der gegenüberliegenden Wand befand sich eine zweite Stollenöffnung. Wasserpfützen glänzten auf dem Boden. Der Stollen fand dort drüben seine Fortsetzung, doch Joan hatte plötzlich Angst, wieder in die Dunkelheit zu treten.
Sie versuchte an der leicht schrägen Wand hochzuklettern.
Sie wollte dieses vergitterte Fenster erreichen, doch sie rutschte immer wieder ab. Die Steinquader waren zu glatt. In ihrer Verzweiflung legte sie die Hände trichterförmig an den Mund und begann lauthals um Hilfe zu rufen. Sie schrie sich die Seele aus dem Leib, doch niemand reagierte darauf.
Joan war und blieb eine Gefangene des Hexers.
Du bist die einzige Überlebende! sagte sie sich. Aber das hat nichts zu bedeuten, denn schon sehr bald wirst auch du tot sein…
***
»Jane«, sagte ich verdattert. »Wie kommst du denn in dieses Haus?«
»Ich bin nicht allein hier«, antwortete die blonde Detektivin. »Suko und Bill Conolly sind bei mir.«
Ich blickte mich rasch um. »Wo sind sie?«
»Sie suchen dich.«
»Ihr habt keine Ahnung, wie gefährlich es in diesem Haus ist, sonst hättet ihr euch nicht getrennt«, sagte ich. »Wie seid ihr hereingekommen?«
»Das Tor war offen.«
»Er hat die verdammte Menschenfalle wieder geöffnet.«
»Wer?«
»Oscar Nash. Ein Hexer. Es ist sein Haus.«
»Ich habe dein Büro angerufen, wollte, daß du mit mir eine Ausstellung besuchst, aber Glenda Perkins sagte mir, du seist mit Professor Chandler, einem Parapsychologen, hierher gefahren.«
Ich nickte. »Nicht nur mit ihm. Seine Sekretärin und der Verwalter dieses Spukhauses begleiteten uns.«
»Ich setzte mich mit Suko und Bill in Verbindung, und wir kamen zu der Ansicht, daß du Hilfe brauchen könntest.«
Ich grinste. »Du sagst es.«
»Du siehst ziemlich erledigt aus, John.«
»So fühle ich mich auch«, gab ich zurück. »Der Verwalter und Professor Chandler sind tot. Was aus Joan Duxbury wurde, weiß ich nicht. Ich musste mein Leben verbissen verteidigen.« Mir fiel ein, daß meine Beretta leergeschossen war. Jetzt war Gelegenheit, die Waffe neu zu laden. Ich hängte mir das Kreuz um den Hals und wechselte das leere Magazin gegen ein volles aus.
»Vielleicht wäre es besser, wenn wir das Haus verlassen würden«, sagte Jane Collins.
Ich schüttelte heftig den Kopf. »Kommt nicht in Frage. Ich gehe nicht aus diesem Gebäude, bevor ich weiß, was aus Joan geworden ist. Vielleicht kann ich ihr noch helfen.«
»Ist sie sehr schön, John?«
»Was hat das denn damit zu tun?« fragte ich ärgerlich.
»Du weißt, daß du dein Leben aufs Spiel setzt, wenn du sie suchst.«
»Ich würde das für jeden Menschen tun, egal, wie er aussieht.«
»John!« schrie meine Freundin plötzlich auf, und ihre Augen weiteten sich. Sie blickte an mir vorbei. Ich kreiselte herum.
Da waren sie wieder, die Opfer des Hexers. Sie hatten mir nur eine kleine Verschnaufpause gegönnt. Nun formierten sie sich wieder zum
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