0162 - Die Menschenfalle
nicht. Was einmal gesagt und gehört wurde, kann man nicht mehr rückgängig machen.«
»Schade«, sagte ich. »Wie wird sich das nun reparieren lassen?«
»Sie werden sich mächtig anstrengen müssen.«
»Ich werde mir die größte Mühe geben«, bemerkte ich und verschwand in meinem Büro. Fünf Minuten später brachte mir Glenda einen herrlich duftenden Kaffee, und ihre Lippen waren nicht mehr violett, sondern appetitlich kirschrot wie immer.
»Besser?« fragte sie.
»Viel besser. Den violetten Stift schenken Sie jemand, den Sie nicht leiden können.«
»Möchten Sie ihn haben, John?« fragte Glenda daraufhin sofort ätzend und bewies damit, wie schlagfertig sie sein konnte.
»Vielen Dank«, gab ich spitz zurück. »Ich habe schon einen.« Sie verließ mein Office, wiegte sich dabei gekonnt in den Hüften. Ein Rassemädchen war sie, und sie war der Meinung, wir beide hätten ein Traumpaar abgegeben. Und so ganz standhaft war ich auch nicht mehr. Bei Nadine Berger hatte ich auch nicht »Nein« sagen können.
Nachdem ich den köstlichen Kaffee getrunken hatte, wollte ich zum Telefonhörer greifen, um mir den richterlichen Haussuchungsbefehl zu beschaffen. Schwierigkeiten würden diesbezüglich nicht zu erwarten sein. Ich konnte einen triftigen Grund vorweisen, weshalb ich mir das Haus in der Faraday Street genau ansehen wollte: Tom Levants Tod!
Ehe ich den Hörer berührte, meldete sich Glenda Perkins über die Gegensprechanlage. »John.«
»Ja, Schätzchen?« Ich hatte ja etwas gutzumachen.
»Ein Professor Charles Chandler ist hier. Er möchte Sie sprechen.«
»Schicken Sie ihn herein!«
»Okay.«
Ich kannte keinen Charles Chandler, dessen war ich mir ganz sicher. Abwartend verschränkte ich die Arme vor der Brust und blickte zur Tür, die gleich darauf geöffnet wurde.
Ein Mann in mittlerem Alter trat ein. Groß, kräftig, mit einem dichten schwarzen Schnauzbart unter der Nase. Der Professor hätte Holzfäller sein können. Seine Hände waren riesig. Er konnte damit bestimmt hart zupacken.
Ich erhob mich. »Professor Chandler.«
»Guten Tag, Oberinspektor Sinclair.«
Wir reichten einander die Hand. »Was kann ich für Sie tun?« erkundigte ich mich. Gleichzeitig wies ich einladend auf den Besucherstuhl, der vor meinem Schreibtisch stand.
Charles Chandler setzte sich. »Ich komme mit einer ungewöhnlichen Bitte zu Ihnen, Mr. Sinclair.«
»Und die wäre?«
Aus Chandlers Jackettasche ragte die Morgenzeitung, sorgfältig zusammengefaltet. Er zog das Blatt heraus und entfaltete es, damit ich die Headline lesen konnte:
MANN AUF MYSTERIÖSE WEISE UMS LEBEN GEKOMMEN.
»Die Journalisten schalten schnell«, sagte Chandler.
»Davon leben sie.«
»Ich bin hier, Mr. Sinclair, weil dieser Tom Levant gestern abend sein Leben verloren hat. Ich war bei Mr. Garfield Mower und habe mit ihm über den schrecklichen Vorfall gesprochen. Ich bin Parapsychologe und kenne übrigens Professor Zamorra sehr gut…«
»Ich auch«, sagte ich.
»Das ist mir bekannt. Wir haben mal über Sie gesprochen, und mein berühmter Kollege aus Frankreich meinte, wenn ich einmal Unterstützung brauchen würde, sollte ich mich an Sie wenden.«
»Unterstützung wobei?« fragte ich.
»Vielleicht ist Schutz der passendere Ausdruck, Mr. Sinclair.«
»Schutz wovor?«
»Ich befasse mich seit geraumer Zeit mit diesem Spukhaus in der Faraday Street. Ich kenne seine Chronik genau, weiß, wie viele. Besitzer es gehabt hat und mit welchen unheimlichen Geschichten man es in Zusammenhang bringt. Aber ich war noch nie drinnen in diesem Gebäude. Vielleicht sage ich Ihnen nichts neues, wenn ich erwähne, daß in dieser Gegend laufend Menschen verschwinden. Seit vielen Jahren geht das schon so. Nie ist einer von ihnen wieder aufgetaucht. Für mich ist dieses Schreckenshaus wie ein Moloch, der jedes Leben verschlingt. Tom Levant ist der erste Mensch, dem es gelungen ist, das Gebäude zu verlassen. Tödlich verletzt schleppte er sich noch zu seinem Freund, wo er dann starb. Sein Tod beweist mir, daß ich recht habe. Alle Menschen, die in Camberwell verschwunden sind, sind in dieses Gebäude gelangt, in diese schreckliche Menschenfalle, aus der es bisher kein Entrinnen mehr gegeben hatte.«
Was der Professor sagte, hörte sich nicht phantastisch an. Er schien sich mit diesem Problem tatsächlich ernsthaft auseinandergesetzt zu haben.
»Was haben Sie vor, Professor Chandler?« fragte ich.
»Ich möchte – als Wissenschaftler muß mich das
Weitere Kostenlose Bücher