0162 - Londons Pflaster ist heiß
Schlüssel gegeben, und als auf mein Läuten nicht geöffnet wurde, benutzte ich ihn. Das Bett war unberührt. Anscheinend war auch Lester die ganze Nacht unterwegs gewesen.
Ich zog die Jacke aus, legte mich auf die Couch und schlief rasch ein.
Als ich ein paar Stunden später aufwachte, war Lester immer noch nicht zurückgekehrt. Ich zuckte die Achsel, begab mich in die winzige Küche und plünderte den Eisschrank.
Nach der Mahlzeit setzte ich mich in einen Sessel und las in einem Buch.
Erst um acht Uhr abends kam Lester. Er wankte vor Müdigkeit. Als er mich lässig im Sessel liegen sah, ohne Schuhe an den Füßen und mit dem Buch vor der Nase, erstarrte er zur Salzsäule.
»Guten Abend, Lester«, rief ich. »Das war aber mehr als nur eine lange Nacht.«
»Wo kommen Sie her, Keyl?«, fragte er. Seine Stimme klang böse.
»Von einem kleinen und recht erfolgreichen Ausflug mit James Nollan«, grinste ich.
Er sah mich unfreundlich an, ließ sich in einen Stuhl fallen und knurrte: »Erzählen Sie!«
Seine Art passte mir nicht. Ich hatte ihn noch nie so gesehen.
»Vielleicht ist es besser, wenn Sie nicht zu viel wissen«, sagte ich.
»Sie waren mit Nollan zusammen bei Clean. Sie haben Nollan gezwungen, den Scheck zu unterschreiben, und der junge Clean musste den Kaufvertrag unterzeichnen, nachdem Sie vorher Ihren Namen eingesetzt haben. Das weiß ich schon.«
»Woher?«
»Von Clean. Er suchte mich noch in der Nacht auf und wollte wissen, was ich davon hielt.«
»Ich hoffe, Sie haben ihm geraten, den Scheck schnellstens einzulösen.«
»Ich sagte ihm, es bestünden dagegen keine Bedenken. Wenn irgendetwas ungesetzlich wäre, könnte er das Geld so gut zurückgeben wie den Scheck. Da Clean jun. der einzige anständige Mann in diesem Gangsterkarussell ist, hielt ich es für richtig, dass vor allen Dingen er vor Verlusten gesichert ist.«
Bright redete in einer außerordentlich befremdlichen Tonart. Er fragte knapp: »Was haben Sie dann getan?«
»Ich kutschierte mit Nollan in der Umgebung Londons herum. Ich wollte verhindern, dass er den Scheck sperren ließ. Etwa um zehn Uhr setzte ich ihn irgendwo ab, fuhr seinen Wagen zum Parkplatz an der Oper und kam hierher und legte mich hin.«
»Wann war das?«
Ich versuchte ein Lachen.
»Sie fragen wie ein Kriminalbeamter, Lester.«
»Ich frage wie ein Mann, der wissen will, ob er einen Mörder unter seinem Dach beherbergt«, antwortete er scharf.
»Wann waren Sie hier?«
»Etwa um zwölf Uhr!«
»Und dann?«
»Dann habe ich auf Sie gewartet.«
»Sie haben die Wohnung nicht mehr verlassen?«
»Nein. Warum glauben Sie das?«
»Weil jemand heute Nachmittag zwischen drei und vier Uhr auf James Nollan geschossen hat!«
Ich fuhr aus meinem Sessel hoch.
»Wer?«
Er verzog seinen Mund zu einem ironischen Lächeln.
»Waren Sie es nicht?«
»Nein. Wo ist es geschehen?«
»Vor Nollans Wohnung in der Webley Street. Er stieg aus seinem Wagen aus, als jemand, der in einer am gegenüberliegenden Straßenrand geparkten Limousine saß, drei oder vier Pistolenschüsse auf ihn abgab. Bis auf einen Streifschuss an der Schulter kam Nollan mit einem blauen Auge davon. Der Bursche in der Limousine gab Gas und verschwand. Einige Passanten eilten Nollan zur Hilfe, andere alarmierten die Polizei.«
»Woher wissen Sie von der Sache?«
»Ich war auf dem Weg zur Webley Street, um zu sehen, ob Nollan wieder auf getaucht war. Ich wusste ja von Clean, dass Sie mit ihm unterwegs waren, und Sie waren mir jetzt verdammt zu lange unterwegs. Ich geriet in den Menschenauflauf hinein, der dem Mordversuch folgte.«
»Hören Sie, Lester«, sagte ich eindringlich. »Sie müssen einsehen, dass ich es nicht gewesen bin. Ich habe keine schwarze Limousine,ich…«
»Dass Sie verstehen, ein Auto zu stehlen, haben Sie bewiesen«, unterbrach er.
»Zugegeben! Aber bedenken Sie doch, dass ich beinahe acht Stunden mit Nollan zusammen war. Ich hätte ihn während dieser Zeit auf jede nur erdenkliche Weise umbringen können, wenn ich es gewollt hätte. Es wäre doch vollkommen blödsinnig von mir, ihn erst laufen zu lassen, um ein paar Stunden später unter ungünstigen Umständen zu versuchen, ihn abzuschießen. Und schließlich, Lester, wenn ich es gewesen wäre, dann lebte Nollan jetzt nicht mehr, denn ich schieße gut genug, um einen Mann zu treffen, den ich treffen will.«
Ohne eine Erwiderung stand Lester auf, ging zu dem Stuhl, über dem meine Jacke hing, und nahm die Pistole heraus.
Er
Weitere Kostenlose Bücher