0164 - Ich und das Todeskarussell
Augenblick!«
Er kramte in einer dicken Akte, fuhr mit dem Zeigefinger über eine Seite und las vor:
»Aus dem Tatortbefund der Mordkommission:… wurden auf dem Rauchtisch, in Zigarettenkästchen und am Aschenbecher weibliche Fingerabdrücke gefunden. Daß sie von einer Frau stammen, erscheint der Größe wegen als sehr wahrscheinlich. Die Abdrücke konnten jedoch nicht identifiziert werden. Sie stammen auch nicht von der beschuldigten Jane Lorren.«
»Davon ist während der ganzen Verhandlung nicht ein einziges Wort gesagt worden!« rief Phil.
Mister High zuckte die Achseln. »Warum auch, Phil? Die Polizei war von Janes Schuld überzeugt. Und immerhin ist es doch möglich, daß Bill Hopkins im Verlaufe des Tages einen völlig harmlosen Damenbesuch hatte!«
»Sicher«, gab Phil zu. »Es kann ein harmloser Besuch gewesen sein.«
»Dann ist da noch etwas anderes: Im Aschenbecher lag der Rest einer Zigarette, der deutliche Spuren eines Lippenstiftes trug. Wahrscheinlich wohl von derselben Frau, die auch ihre Fingerabdrücke zurückließ.«
»Ich halte das nicht für erheblich«, warf ich ein. »Selbst wenn Hopkins von einer Frau umgebracht worden sein sollte, so war es jedenfalls eine derart raffinierte und kaltblütige Person, daß sie mit Sicherheit keine Fingerabdrücke zurückließ. Davon verspreche ich mir gar nichts.«
»Nun, ich wollte euch auf jeden Fall darauf aufmerksam machen«, meinte der Chef. »Außerdem rief heute morgen schon zweimal ein gewisser Mister Newman hier an und verlangte Sie zu sprechen, Jerry. Und seit einer Stunde sitzt er sogar im Wartezimmer.«
Phil und ich sprangen auf.
»Sie können gern hier mit ihm sprechen«, meinte der Chef. »Ich bin auch sehr daran interessiert zu erfahren, was Mister Newman auf dem Herzen hat.«
»Einverstanden«, nickte ich. »Bitte, lassen Sie ihn sofort kommen.«
Der Chef informierte seine Sekretärin, und ein paar Minuten später führte sie uns Mister Newman herein. Wir machten ihn mit Mister High bekannt, und als wir alle am runden Rauchtisch saßen, fragte ich:
»Sie wollten mit mir sprechen, Mister Newman?«
Er sah blaß aus und war aufgeregt. Mit fahrigen Bewegungen zog er eine zusammengefaitete Mörgenzeitung aus seinem Rock. Er breitete sie auseinander und zeigte auf das Foto eines Mannes.
»Kennen Sie diesen Mann?«
Ich warf nur einen kurzen Blick darauf. Es war Huckson.
»Gestatten Sie«, sagte ich und nahm die Zeitung. Phil beugte sich herüber. Wir lasen den Artikel gleichzeitig.
Er entsprach in etwa den Tatsachen, bis auf den Umstand, daß hier von zwei Detektiven der Stadtpolizei die Rede war und nicht von zwei Beamten des FBI, Aber das konnte uns nur recht sein.
»Der Artikel entspricht im großen und ganzen der Wahrheit«, nickte ich und schob ihm die Zeitung zurück. »Warum? Kennen Sie diesen Mann etwa auch?«
Newman atmete tief. Er schluckte ein paarmal und krächzte dann heiser:
»Es stimmt also, daß dieser Mann ein Gangster war?«
Wir nickten stumm. Newman wurde immer aufgeregter:
»Er war bestimmt kein Reporter?«
»Nie im Leben«, sagte Phil.
Newman sackte förmlich in sich zusammen. Er sah todunglücklich aus.
»Nun erzählen Sie schon«, forderte ich ihn auf. »Was hat es mit dem Burschen auf sich?«
Newman räusperte sich und legte los:
»Dieser Lump! Ungefähr einen Tag vor der Verhandlung gegen Jane Lorren kam er abends in meine Wohnung. Er stellte sich als Reporter vor. Weil, ich kenne das, schon seit Jahren. Immer wenn ein wirklich sensationeller Prozeß bevorsteht, versuchen die Reporter über uns Hilfskräfte aus den Büros der Anwälte dieses oder jenes zu erfahren. Ich wollte ihn kurzerhand abwimmeln, aber er brachte es eben fertig, daß ich mich doch mit ihm in ein Gespräch einließ. Der Kerl konnte reden wie — na, fast wie ein Anwalt.«
»Und was wollte er?«
»Ich sollte ihm sagen, worauf die Verteidigung fuße. Natürlich lehnte ich es ab. Er zuckte die Achseln und meinte, ich wäre glatt verrückt. Er brauche doch nur dem Prozeß beizuwohnen, und er würde doch alles erfahren. Damit hatte er natürlich recht.«
Wir nickten. Klar, dafür lebten wir ja in einer Demokratie, daß jeder Staatsbürger von der Rechtmäßigkeit unserer Rechtsprechung sich ständig überzeugen kann.
Newman nahm unser schweigendes Nicken als eine leichte Ermutigung und fuhr fort:
»Von der Seite her hatte er recht. Obendrein versprach er, daß er keine Zeile über irgend etwas schreiben würde, was nicht vorher
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