0167 - Ich stand im anderen Lager
nicht einfach raus?«
»Sagen Sie mir, wessen Handlanger ich sein soll, und wir werden sehen, ob wir uns verständigen können!«
Statt einer Antwort hängte er ein. Ich rief noch ein paar Mal »Hallo«, in die Sprechmuschel, aber nichts rührte sich mehr. Nachdenklich legte ich den Hörer auf die Gabel.
Obwohl ich ziemlich überzeugt war, dass der Anruf aus New York gekommen war, rief ich das Fernsprechamt an und ließ nachfragen, ob eine auswärtige Verbindung mit meinem Anschluss hergestellt worden war. Die Frage wurde verneint. Ich wusste jetzt also mit Sicherheit, dass er aus New York gekommen war.
Ich vervollständigte meine Partykluft, aber während der ganzen Zeit dachte ich nach. Und dann nahm ich mir plötzlich die Smith & Wesson, warf einen Trenchcoat über, steckte die Waffe in die Seitentasche und flitzte die Treppe hinunter zum Jaguar.
Ich fuhr nicht nach Rockaway zur Party von Harry Carrigan, ich fuhr in die Varrick Street zur Wohnung von Hel Voor.
***
Die Bowery ist tagsüber schon ein fragwürdiges Pflaster, nachts aber ist sie so wenig harmlos wie ein Käfig mit ausgehungerten Löwen. Wer einen wehrlosen Eindruck macht, riskiert, sich im Morgengrauen in Unterhosen wiederzufinden, und das nur, wenn er Glück hat.
Den Jaguar ließ ich jedoch außerhalb der Bowery in einem Parkhaus. Hätte ich ihn mitgenommen, so hätte ich ihn nicht aus dem Auge lassen dürfen. Sonst nämlich hätte ich kaum mehr von ihm wieder vorgefunden als die nackte Karosserie. Außerdem verrieten die Funksprecheinrichtung und das Rotlicht den Polizeiwagen.
Im letzten Tageslicht stieg ich die Treppe zu Voors Wohnung hinauf. Wieder klopfte ich gegen die Tür, und wieder wurde nicht geöffnet. Dann öffnete sich - genau wie vor einem halben Dutzend Stunden - die Nebentür, und der gleiche Mann im gleichen Netzhemd erschien auf der Bildfläche. Ich fragte mich, ob auch die Zigarette an seiner Unterlippe die gleiche war.
»Voor ist nicht da.«
»Ist er überhaupt noch nicht zurückgekommen?«
Der Mann grinste. »Doch. Er packte einen Koffer und verschwand.«
»Danke«, sagte ich. »Du hast gut aufgepasst.«
»Habe sonst nichts zu tun.«
Ich fischte einen Fünfer aus meiner Tasche und hielt ihn dem Mann zwischen zwei Fingern hin. Er pflückte ihn.
»Ich wüsste gern die Namen von Voors Freunden.«
Der Netzhemd-Mann wiegte den Kopf. »Damit kann ich nicht dienen. Die paar Boys, die ihn hin und wieder besuchten, pflegten ihre Namen nicht auf einem Pappschild auf der Brust zu tragen.«
»Wie wäre es mit ein paar Beschreibungen?«
»Sehen Sie sich die Beleuchtung in diesem Flur an. Man kann nicht viel sehen.«
Der Mann wollte nicht sprechen. Ich versuchte es noch einmal. »Sieh mich mal genau an!«, forderte ich ihn auf.
»Sind ein ganz schöner Brocken, Mister«, stellte er fest.
»Okay. Was ich wissen will, ist, ob Voor mit einem Mann umging, der mindestens das Maß hatte und der so aussah, als ob er mit seinen Fäusten umzugehen verstand?«
Er schwieg. Ich zeigte einen weiteren Fünfer. Er kassierte ihn.
»Wenn Sie Lust haben, das Boxen zu lernen, Mister, so finden Sie eine Boxschule in der Christopher Street. Ich habe mich immer gefragt, was Voor in der Boxschule wollte. Er hatte doch wahrhaftig keine Boxerfigur. Nicht einmal zum Leichtgewichtler hätte es bei ihm gelangt.«
»Woher wissen Sie, dass er in diese Boxschule ging?«
»Zum Henker, Mister. Sie fragen aber viel. Ich habe ihn ein paar Mal in der Begleitung von Boys gesehen, die blaue Rollkragenpullover trugen. Na ja, und auf den Pullovern stand Christopher Sport- and Boxing School, New York, Christopher Street.«
»Danke«, sagte ich.
Ich ging hinunter, stiefelte in die nächste Kneipe und verlangte ein Telefonbuch. Ich fand die Nummer der Boxschule, ließ mir das Telefon geben und wählte sie, aber niemand meldete sich. Ich hätte nun die Kneipen des Viertels auf der Suche nach Hel Voor abklappern können, aber der Koffer, mit dem er seine Wohnung verlassen hatte, schien mir ein Beweis, dass die Suche vergeblich sein würde. Also machte ich mich auf die Socken zur Christopher Street.
Das Gebäude, das die Boxschule beherbergte, war ein großes, altes, verkommenes Geschäftshaus. Im Erdgeschoss befand sich ein Altwarengeschäft, das geschlossen war. Die Fensterscheiben der ersten Etage waren weiß gestrichen. In schwarzen Buchstaben stand darauf:
Christopher Sport- and Boxing School. Unterricht in allen Klassen bis zur Ringreife.
Neben dem
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