0168 - Wir brachen dem Tod das Genick
versunken. Ich brauchte fünfzehn oder zwanzig Sekunden, um aus der Kiste rauszukommen. Aber es waren die längsten zwanzig Sekunden, die sich einer vorstellen kann.«
Ich schneuzte mich.
»Malen Sie den Teufel bloß nicht an die Wand«, sagte ich danach. »Ich habe mit dieser Schinderei schon genug. Was meinen Sie, sollen wir's nochmal mit ein paar Zweigen versuchen?«
Coolbright zuckte die Achseln.
»Wir haben ja schon fast den ganzen Wald unter die Räder geschoben. Auf ein paar Äste mehr kommt es jetzt nicht mehr an.«
Wir patschten durch den Morast in den Wald hinein. Der Boden war hier fest, aber es standen ja auch Bäume da, und zwar so eng, daß man nicht fahren konnte.
Noch einmal schoben wir ein paar Arme voll abgerissener oder aufgelesener Zweige vor die Räder. Mit dem Mut der Verzweiflung stiegen wir beide ein. Ich startete, trat die Kupplung und ließ sie im ersten Gang millimeterweise kommen. Der Wagen schnaufte, ich sah den Kühler vor mir zittern, aber — wir hielten den Atem an — die Bäume rechts und links bewegten sich langsam nach hinten. Eine Minute später waren wir raus, konnten zwei- oder dreihundert Yards fahren und saßen wieder fest.
Mit der Zeit wurden wir so müde, daß wir kein Wort mehr sprachen, als unbedingt nötig war.
»Höchstens noch eine Meile«, sagte Coolbright irgendwann.
»So?« gab ich giftig zurück. »Ich dachte, Sie hätten mal was von einer Entfernung von sieben Meilen gesagt?«
»Hab‘ ich auch. Wieso?«
»Mir kommt es so vor, als hätten wir schon vierzig Meilen hinter uns.«
Auch die längste Schinderei nimmt einmal ein Ende. Irgendwann sahen wir den morastigen Weg schnurgerade bergan steigen. Sofort wurde der Boden besser, und wir konnten das letzte Stück fahren, ohne noch einmal aussteigen zu müssen.
Auf einer Lichtung mitten im Hochwald lag das Haus des Waldhüters: Es b,estand aus einem Betonfundament, auf das ein Blockhaus aufgesetzt war. Als wir ausstiegen, rief Coolbright schon: »He, Jaddy! Wo steckst du?«
Nichts rührte sich. Die Bäume rauschten rings um das Haus. Ein paar Tropfen klatschten von den nassen Zweigen. Aber keine Antwort kam aus der Hütte. Im Draht der Telefonleitung saß ein Vogel und putzte sich das nasse Gefieder. Es war sehr still. Zu still.
Coolbright fuhr sich mit der Zungenspitze nervös über die Lippen. Schweigend sah er mich an.
Ich zog meine Pistole aus dem Schulterhalfter und raunte ihm zu:
»Nehmen Sie auch Ihre Kanone in die Hand, Coolbright! Man kann nicht wissen. Vielleicht will man uns reinlegen!«
Er schnallte mit fahrigen Bewegungen die schwere Pistolentasche auf und zog, seine Waffe.
»Gehen Sie ans Fenster«, sagte ich leise zu ihm. »Ich gehe rein.«
Er nickte und schlich sich zu dem großen Fenster rechts von der Tür. Ich stieg leise die vier Stufen empor, die im Fundament eingelassen war. Die Tür stand offen.
Ich drückte mich mit dem Rücken gegen die Wand neben der Tür und lauschte. Irgend etwas stimmte nicht. Kein Mensch ließ bei diesem Wetter und dieser Kälte seine Tür sperrangelweit offen.
Ich holte tief Luft und sprang mit einem Satz in den Raum hinein.
Jaddy war ein Mann von vielleicht fünfzig Jahren mit eisengrauem Haar. Jetzt war es rostigbraun, denn irgendeiner hatte ihm den Hinterkopf eingeschlagen. Jaddy lag auf einem Hirschfell. Seine Arme waren ausgebreitet. Aber in der linken Hand hielt er etwas, das silbrig glitzerte.
Ich beugte mich nieder und löste das Kettchen aus seinen Fingern. Ein Medaillon hing daran. Es zeigte das Bildnis einer Frau. Ich hatte Mrs. McMaloon nur ein einziges Mal in Newcomb gesehen, aber ich wußte sofort, daß sie es war, deren Bildnis ich sah.
***
»Trinken Sie das«, sagte Coolbright. Er hielt mir eine Tasse hin, in der sich Whisky befand. »Jaddy braucht es nicht mehr…«
Ich kippte den scharfen Stoff in zwei Zügen hinunter. Wir hatten das ganze Haus und, die Umgebung nach Spuren untersucht. Wir hatten genug gefunden, denn der vom Regen aufgeweichte Boden hinterließ erstklassige Spuren.
»Außer Jaddy waren vier Leute hier«, sagte ich nachdenklich. »Drei erwachsene Männer und jemand, der sehr kleine Füße hatte. Vielleicht ein Junge, vielleicht aber auch--«
Ich vollendete den Satz nicht. Coolbright tat es an meiner Stelle.
Ich nickte.
»Ja. Sie wird es wohl gewesen sein. Sie entkam den Gangstern und flüchtete hierher. Jaddy rief Sie an. Aber inzwischen hatten die Gangster schon die Spur des Mädchens gefunden. Sie kamen
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