0169 - Der Teufel ohne Maske
immer mehr herein. Vor Phils Füßen landete eine Patrone und fing sofort an zu zischen. Einmal segelte haarscharf an meiner Schulter eine Gasgranate vorbei und landete krachend in einem Blumenständer.
Es gab im oberen Geschoß insgesamt sechs Zimmer und ein Bad. Zwei lagen nach vorn, zwei nach hinten, je eins auf beiden Seiten. Und gegenüber der Treppe gab es noch ein Badezimmer.
Im linken vorderen Zimmer hielt sich niemand auf. Dafür stand im rechten einer der Gorillas. Phil riß plötzlich seine Waffe hoch und drückte ab.
Ich sprang einen Schritt vor und konnte erst jetzt die Gestalt eines der Gangster erkennen. Er stand merkwürdig gekrümmt. Die Maschinenpistole entglitt langsam seinen Fingern.
Phil fing die Tommygun auf. Diese Dinger sind so heimtückisch, daß sie oft losrattern, wenn sie hart fallen. Dabei werden sie dann vom eigenen Rückstoß hin und her geworfen, so daß die Kugeln in alle Himmelsrichtungen streuen.
Wir streckten die Köpfe vor und schlichen uns weiter. Ich gab Phil mit der Hand ein Zeichen, daß er das Zimmer auf der rechten Seite nehmen solle. Ich wollte links bleiben. Ein Nicken — und wir trennten uns.
Mit weit vorgestrecktem Kopf schlich ich durch die offenstehende Verbindungstür. Qualm, Qualm, Qualm, wohin man sah. Weißer Qualm, der von den Scheinwerfern von draußen gespenstisch durchleuchtet wurde.
Ich sah die Umrisse eines Möbelstücks vor mir auftauchen. Es war ein Tisch — ich schob mich an ihm vorbei. Ich stieß mit dem Ellenbogen gegen eine Kommode, aber ich hörte nicht einmal das Geräusch, das dabei entstand, denn vor mir ratterte eine Maschinenpistole.
Langsam schob ich mich weiter.
Schemenhaft tauchte eine Gestalt vor mir auf, die an der Wand stand und zum Fenster hinaus feuerte. Das Licht der Scheinwerfer bewirkte, daß ich ihren Umriß deutlich sah. Ich schob den Revolver in meine Rocktasche. Langsam hob ich die Hände und machte einen Schritt. Und noch einen.
Dann warf ich mich nach vorn. Ich bekam den Lauf der Tommygun zu fassen.
Der andere zerrte an seiner Waffe. Ich ließ den Lauf nicht aus den Händen. Keuchend pfiff mir der Atem über die Lippen. Heiße, stickige Luft drang durch den Filter der Gasmaske.
Ich trat zu, mit aller Wucht.
Der Kerl krümmte sich, aber er ließ die Waffe nicht los. Ich trat noch einmal, während das leibhaftige Höllenfeuer meine Hände verbrannte.
Auf einmal verstummte der Lärm der Schüsse. Das Magazin mußte leer sein. Ich setzte alles auf eine Karte, ließ den Lauf los und krallte beide Hände um den Filter seiner Gasmaske.
Ein kräftiger Ruck — die Maske rutschte ihm vom Kopf. Im gleichen Augenblick schoß ein Tränenstrom über das von den Scheinwerfern angestrahlte Gesicht.
Es war Cade Norman.
Ein paar Minuten später verstummte das Feuer. Unsere Leute kamen in weiten Sprüngen auf das Haus zu. Ich lief hinunter und öffnete ihnen die Haustür. Taumelnd lief ich ins Freie, riß mir die Gasmaske ab und atmete gierig die kühle, frische, belebende Nachtluft ein.
»Holt Norman!« keuchte ich den Kollegen zu. »Er liegt im ersten Stock, ohne Maske…«
Sie holten ihn. Sein Gesicht war verzerrt, als sie ihn an mir vorbeitrugen. Es sah aus wie die Fratze eines leibhaftigen Teufels.
Cade Norman ohne die Maske der Menschlichkeit.
***
Cade Norman war neun Jahre alt, als er von parkenden Lastwagen Orangen und Bananen stahl. Er war 46, als ihn vier Wärter zum elektrischen Stuhl tragen mußten.
ENDE
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