017 - Der Engel des Schreckens
nach Gutdünken gewählt -über ihren Finger schob. Sie kniete nieder, um den feierlichen Segen zu empfangen. Dann stand sie mühsam auf und blickte ihren Gatten mit starren Augen an.
»Ich glaube . . . ich werde ohnmächtig?«
Jack Glover fing sie gerade noch auf und trug sie zum Sofa. Als sie wieder zu sich kam, hatte sie die verworrene Idee, daß jemand versucht habe, sie zu hypnotisieren; sie öffnete die Augen und blickte in das ernste Gesicht Merediths, der sich über sie beugte.
»Fühlen Sie sich jetzt besser?« fragte er ängstlich. »Ich befürchte, die letzten vierundzwanzig Stunden waren zu aufregend für Sie, und geschlafen haben Sie ja auch nicht, wie Mrs. Rennett uns erzählte. - Auf jeden Fall werden Sie heute Nacht sicherlich besser schlafen als ich«, fügte er ächelnd hinzu. Dann wandte er sich an Rennett, der unruhig seinen Bart strich und ihn ernsthaft und ängstlich beobachtete. »Mr. Rennett, in Gegenwart der hier anwesenden Zeugen muß ich Ihnen mitteilen, daß ich aus dem Krankenhaus entflohen bin, in dem ich durch die Milde des Justizministers Aufnahme gefunden hatte. Als ich Ihnen mitteilte, daß ich gleichfalls die Erlaubnis erhalten hätte, heute morgen hierherzukommen, um mich in Ihrem Hause trauen zu lassen, sprach ich die Unwahrheit.«
»Ich bedaure, das hören zu müssen«, erwiderte Rennett höflich. »Es ist selbstverständlich meine Pflicht, Mr. Meredith, Sie der Polizei zu übergeben.«
Das gehörte alles zum Spiel. Lydia beobachtete mit gespanntem Interesse den Vorgang; sie wußte, jedes Wort, jede Handlung war sorgfältig überlegt, um Rennett und Glover die Anklage der Beihilfe zu ersparen.
Rennett hatte kaum zu Ende gesprochen, als laut und ungestüm an die Haustür geklopft wurde. Jack Glover eilte in die Halle, um zu öffnen. Es war nicht die Polizei, die er erwartet hatte. Eine junge Dame, bis zu den Augen in einen Pelzmantel gehüllt, stand vor ihm. Sie stieß Jack beiseite, flog durch die Halle und betrat den Salon.
Lydia stand zitternd neben Mrs. Rennett, als die unerwartete Besucherin hereinkam und langsam die Knöpfe ihres Pelzes öffnete. Überrascht fuhr Lydia zusammen. Es war das schöne junge Mädchen, das sie am letzten Abend im Theater gesehen hatte.
»Was verschafft uns das Vergnügen?« fragte Glovers Stimme spöttisch.
»Ich verlange meinen Verlobten - Meredith«, sagte sie kurz.
Glover lachte leise.
»Verlangt haben Sie ihn schon seit recht langer Zeit, Miss Briggerland - das kann ich begreifen. Sie kommen leider etwas zu spät.«
Ihre Augen blickten auf den Geistlichen.
»Zu spät?« sagte sie langsam. »Er ist also schon verheiratet?«
Sie biß sich auf die Lippen und nickte, dann blickte sie Lydia an. Ihre blauen Augen waren ausdruckslos.
Meredith war verschwunden. Verzweifelt blickte Lydia um sich. War er der Polizei entgangen, um sich selbst zu stellen? Plötzlich fiel ein Schuß. Der Knall mußte aus dem Garten kommen.
Glover rannte hastig durch die große Halle zur Tür. Es schneite, kein Mensch war zu sehen. Er lief den Weg hinunter, der parallel mit dem Haus lief, dann um die Ecke ging und in vielen Windungen durch das dichte Gehölz zu einem kleinen Schuppen führte. Plötzlich blieb Jack entsetzt stehen. Dicht vor ihm lag ein Mann mit ausgestreckten Armen in einer Blutlache, seine Hand umklammerte eine Pistole.
Mit einem unterdrückten Aufschrei beugte sich Jack über den Liegenden.
Es war James Meredith - tot!
Kapitel 5
Jack Glover hörte Fußtritte und sah einen Mann auf sich zukommen, der den Detektiv deutlich erkennen ließ.
Er wandte sich ab und sah schweigend auf den Leichnam zu seinen Füßen, als der Mann neben ihn trat.
»Wer ist das?« fragte der Beamte scharf.
»James Meredith«, antwortete Jack einfach.
»Tot?« rief der andere. »Hat er Selbstmord begangen?«
Jack antwortete nicht und beobachtete den Inspektor, der eine kurze und schnelle Untersuchung der Leiche vornahm. Die Kugel war durch die linke Schläfe eingedrungen, die Pulverspuren waren deutlich auf dem stillen Gesicht zu sehen.
»Sehr unangenehme Sache, Mr. Glover«, begann der Beamte ernst. »Können Sie eine Erklärung für die Anwesenheit des Mannes hier geben?«
»Er kam hierher, um sich zu verheiraten. Das überrascht Sie, wie es scheint, aber es verhält sich tatsächlich so. Er ist vor noch nicht zehn Minuten getraut worden. Wenn Sie mit mir ins Haus kommen wollen, werde ich Ihnen alles Nähere erklären können.«
Der Detektiv zögerte,
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