Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0170 - Die Ratte von Harlem

0170 - Die Ratte von Harlem

Titel: 0170 - Die Ratte von Harlem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Ratte von Harlem
Vom Netzwerk:
Taugenichts, du Tagedieb, du verlotterter Herumtreiber…«
    Der Mann wischte sich durchs Gesicht und sah mich betrübt an. »Verzeihen Sie…« stammelte er noch einmal.
    Jetzt setzte die Frau mit einem Sprung auf die Straße, packte den Ausgescholtenen am Revers seiner abgetragenen Leinenjacke und zerrte ihn zurück zur Tür. »Rück es ’raus!« schrie sie im Hausgang. »Wo hast du es versteckt? He?«
    »Sarah glaub mir doch, es ist gestohlen worden. Es muß jemand eingebrochen haben im Kontor…«
    »Eingebrochen, ha! Daß ich nicht lache! Du ausgekochter Gauner! Eingebrochen! Wie kann eingebrochen worden sein? Ich habe nachgesehen, es ist alles in Ordnung. Keine Katze könnte durch den Fensterspalt! Aber das sage ich dir, wenn das Geld bis heute abend nicht wieder in der Kassette ist, dann erlebst du was!«
    »Sarah, beruhige dich doch…«
    Die Negerin stieß den Mann auf die Straße.
    Wieder traf mich sein betrübter Blick. Die Frau verschwand die Treppe hinauf. Der Mann sah hinter ihr her, schob sich die weiße Krawatte auf dem schwarzen Hemd zurecht und meinte: »Sie ist zu nervös. Kein Wunder, wir haben fünf Kinder. — Aber ich begreife es auch nicht: dreihundert Dollar hat der Dieb mitgenommen! Weiß der Teufel, wie der Mann ins Kontor gekommen ist!« Er tastete seine Taschen nervös nach einer Zigarette ab.
    Ich war unwillkürlich stehengeblieben. Plötzlich fiel mir der Wagen ein, der Urlaub und der kühle Bach oben in den Catskills.
    »Können Sie so was begreifen?« meinte der Mann. »Ich habe gestern abend noch bis elf Uhr gearbeitet. Wir haben ein kleines Geschäft, wir reparieren Jazztrompeten. Bis elf habe ich über einem neuen Mundstück gesessen. Dann hab’ ich alles abgeschlossen. Die Tür war unversehrt. Alles, auch die Fenstervergitterung, und doch ist das Geld weg!« Plötzlich blickte er mich wie erwachend an, griff sich an den Kopf. »Entschuldigen Sie, Mister… entschuldigen Sie…« Dann lief er mit gesenkten Kopf in den Hof.
    Ich ging langsam weiter. Was gingen mich schließlich seine reparierten Jazztrompeten an? Und seine 300 Dollar. Ich hatte Urlaub. In den Straßen Harlems lag eine wabernde Glut. Hier merkte man, daß New York fast auf demselben Breitengrad liegt wie Neapel.
    Jazztrompeten-Reparatur im Hinterhof! Was es nicht alles gibt, fuhr es mir durch den Kopf. Ich bog in die 134. Straße ein.
    Meister Biondelli machte runde Augen, als er meiner ansichtig wurde. »Was ist denn das? Sie wollten doch erst nach Feierabend kommen. Und jetzt ist Mittag!«
    Ich hob beschwichtigend die Hand. »Es ist nur wegen des Urlaubs. Ich habe Glück gehabt und drei Tage Urlaub nachbekommen. Ganz plötzlich.«
    Der Italiener grinste wie ein Honigkuchenfperd. »Sie haben noch mehr Glück gehabt: der Wagen ist nämlich fertig!«
    »Wirklich?«
    »Ja. Er steht nebenan. Fahrbereit!«
    Ich beglich die verhältnismäßig niedrige Rechnung, bedankte mich und fuhr los.
    Durch die 133. Straße. Als ich an dem Hof vorbeikam, wo ein braunhäutiger Pantoffelheld Jazztrompeten reparierte, trat ich unwillkürlich auf die Bremse.
    Der Mann stand mitten im Hof. In der prallen Sonne. Ein Bild der Verzweiflung.
    Ich blickte seufzend durch die Wind schutzscheibe hinauf in den stahlblauen Himmel. Im Geiste sah ich das kleine grüne Tal vor mir, oben rechts am Hang Onkel Sims hübsches weißes Holzhaus und unten den eiskalten Bach.
    Dann nahm ich den linken Arm heraus, zog mit der Rechten das Steuer hinüber und fuhr in den Hof.
    »Hallo, Mister!«
    Der Mann glotzte mich fragend an. »Suchen Sie mich?«
    »Ja.«
    »Woher kennen wir uns?«
    »Wir haben uns vorhin draußen vor Ihrer Haustür getroffen.« Ich stieg aus und reichte ihm eine Zigarette. »Zeigen Sie mir doch mal Ihr Kontor.«
    Er sah mich mit großen Augen an, dann sagte er schnell:
    »Ja, kommen Sie, gucken Sie sich das an.«
    Er führte mich eine kleine Stiege hinunter in den muffigen Eingang eines Hinterhauses. Ein langer dunkler Korridor führte zu einer schmalen Tür.
    Der Mann rasselte mit einem schweren Schlüsselbund und schloß an zwei Schlössern herum. »Sehen Sie«, erklärte er. »Ich habe sogar ein Sicherheitsschloß.«
    »Und das war verschlossen?«
    »Natürlich. Ich habe es sogar selbst heute morgen aufgeschlossen. Alles war unversehrt.«
    Die Tür sprang auf und gab den Blick in einen schmalen hohen Raum frei, der zum Hof hin ein Fenster hatte. Wie alle Fenster in diesen Hinterhöfen, war es mit starkem Gitterwerk versehen.
    Der Mann

Weitere Kostenlose Bücher