0172 - Ghouls in der U-Bahn
hatte, holte er die Warmhaltekanne hervor, schraubte sie auf und goß etwas von Mutters Tee in einen Becher. Sein Vater bekam das gleiche Getränk mit.
Es schmeckte den beiden gut.
Jim hörte die Schreie und auch die hämmernden Schritte auf dem glatten Boden. Er leerte erst seinen Becher, bevor er sich erhob und einen Blick durch das Seitenfenster warf.
Da war schon alles vorbei. Zwar liefen noch einige Menschen sehr aufgeregt vor dem Zug hin und her, doch die Ghouls waren bereits eingestiegen. Jim Hatfield konnte sie nicht mehr sehen. Er dachte an eine Schlägerei, wie es sie oft und vor allen Dingen in der Nacht gab.
Was wirklich geschehen war, das ahnte er nicht einmal im Traum. Er warf einen Blick auf die Uhr.
Abfahrt.
Vor ihm gähnte der Tunnelschlund. Im Anfang hatte Jim so etwas wie Angst verspürt, mit dem Zug in die enge Röhre hineinzusausen, mittlerweile hatte er sich daran gewöhnt. Das Fahren unter der Erde war für ihn zur Routine geworden.
Der Zug fuhr in den Tunnel, und Jim Hatfield erhöhte die Geschwindigkeit. Er war immer stolz darauf gewesen, den Fahrplan eingehalten zu haben.
Vor ihm glänzten die Schienen vom Licht der Scheinwerfer getroffen. Er sah für den Bruchteil einer Sekunde auch andere helle Gegenstände, die zwischen den Schwellen lagen. Jim Hatfield konnte nicht ahnen, daß es sich dabei um Gebeine handelte…
Der Zug fuhr weiter.
Sein Führerstand galt als relativ schalldicht, das mußte auch so sein, sonst hätte er unter Umständen den Warnton des Funkgeräts überhört.
Als sich die Anlage meldete, war Jim überrascht. Die Leitstelle sprach wenig mit ihm, wenn ja, dann lag ein triftiger Grund vor. Wie immer spürte der Mann den Kloß im Magen, der sich bei ihm automatisch einstellte, wenn er die Lampe aufflackern sah.
Er meldete sich.
Es war tatsächlich Dustin Ambrose, der Einsatzleiter, der mit ihm sprechen wollte.
»Hören Sie genau zu, Jim und stellen Sie keine weiteren Fragen. Was ich Ihnen mitteile, ist lebenswichtig, und es kommt zu einem Großteil auf Sie an, ob wir die Sache überstehen.«
»Klar, Sir.« Jim Hatfield schluckte und spürte den Schweiß auf seiner Stirn.
»Im Zug befinden sich zwei Mörder, Jim. Sie werden nirgendwo anhalten und einfach durchfahren. Nur drosseln Sie etwas die Geschwindigkeit. Ich habe an den Stationen Bescheid gegeben. Die zuständigen Dienststellen dort sind alarmiert worden. Man weiß Bescheid und riegelt die Bahnsteige ab. Alarmstufe eins. Haben Sie alles verstanden, Jim?«
»Jawohl, Sir.« Der Zugführer erkannte seine eigene Stimme nicht mehr wieder. Von einer Sekunde zur anderen steckte er plötzlich in einer Streßsituation.
»Dann wünsche ich Ihnen viel Glück, und beten Sie, Jim, daß alles glimpflich abläuft. Denken Sie an Ihre Verantwortung.« Auch Ambroses Stimme war leiser geworden. Es knackte noch einmal, dann war die Verbindung unterbrochen.
Jim Hatfield blieb für eine Weile starr sitzen. Er dachte an die Anordnung und verlangsamte die Geschwindigkeit des Zuges. Seine Bewegungen glichen denen eines Automaten. Angst hielt sein Herz umkrampft.
Er dachte wieder an das Durcheinander auf dem Bahnhof Pimlico. Dort mußten die Mörder zugestiegen sein. Und ihm fielen Zeitungsberichte ein, die über Entführungen und Geiselnahmen berichtet hatten. In einer U-Bahn war so etwas noch nie passiert. Jetzt mußte er sich auf die neue Situation einstellen.
War er ein Held? Konnte er so handeln wie manche Piloten? Kaltblütig und entschlossen?
Jim Hatfield merkte, daß er von der Lage überfordert wurde. Bisher hatten die unbekannten Geiselnehmer noch nicht reagiert, was sich allerdings sehr schnell ändern konnte, wenn sie erst einmal ihre Bedingungen bekanntgaben.
Wie würden die aussehen?
Ihm wurde bewußt, daß er sich über Dinge Gedanken machte, die nicht zu seinem Job gehörten. Aber wie würde er reagieren, wenn jemand den Führerstand betrat?
Er durfte nicht daran denken, drehte sich auf seinem Stuhl um und warf einen Blick zur Tür.
Alles blieb ruhig.
Noch…
Obwohl er die Geschwindigkeit gesenkt hatte, fuhr ihm der Zug noch immer zu schnell. Jim Hatfield sorgte dafür, daß die Subway langsamer wurde.
Soeben rollte er in eine langgestreckte Kurve. Er kannte sie. Hinter der Kurve begann die Gerade und dann war bald die nächste Station erreicht.
Jim schaute nach vorn. Er hatte am Rücken keine Augen und auch nicht an der Seite. Deshalb sah er nicht, was sich außen an der Fahrertür abspielte.
Vom
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