0172 - Mit Gangstern spielt man nicht
Sie, wie kam es, daß gerade Sie die Leiche fanden?«
Bullins berichtete von seiner Gewohnheit. Als er geendet hatte, bat Wilmerson um irgendein Dokument, das Bullins’ Personalien amtlich bestätigte. Zu Wilmersons Überraschung zog Bullins einen Waffenschein aus der Brieftasche und seinen Führerschein.
»Ich mußte früher mal Versicherungsgelder von den Bezirksvertretern kassieren«, erklärte Bullins. »Manchmal hatte ich bis zu 40 000 Dollar in der Aktentasche. Daher der Waffenschein.« Wilmerson nickte und notierte sich schweigend Bullins’ Anschrift: »Es ist gut, Mr. Bullins«, sagte er danach. »Sie können jetzt gehen. Wenn ich Sie noch einmal brauchen sollte, werde ich Ihnen eine Vorladung schicken.«
Wilmerson grüßte und bummelte zu seinen Leuten zurück. Er war im Hauptquartier dafür bekannt, daß er ein langsamer Arbeiter war, der so gut wie nie ein richtiges Verhör anstellte. Er pflegte sich selbst mit den Allerverdächtigsten freundschaftlich zu unterhalten. Aber sobald er ihnen die Würmer aus der Nase gezogen hatte, was die Betroffenen meist nicht merkten, schoß er vor wie eine Klapperschlange und brachte seinen tödlichen Biß an. Tödlich im Sinne des Wortes, denn von zehn Leuten, die Wilmerson überführte, landeten sieben auf dem elektrischen Stuhl.
Auch an diesem Morgen ließ er sich mit allem, was er tat, Zeit. Eine gute halbe Stunde lang beobachtete er schweigend seine Leute, dann rief er seinen Assistenten Joe zu sich. Joe arbeitete schon acht Jahre unter Wilmerson und hätte längst selbst Lieutenant sein können. Aber er wußte, daß er nur unter Wilmersons Leitung Erfolg haben würde.
Zusammen drehten die beiden langsam die Leiche um. In der Brust des Jungen steckte ein Schnappmesser. Wilmerson betrachtete es von allen Seiten, ohne es zu berühren.
»Sieht verdammt nach Warenhaus aus«, knurrte er. »Was meinst du, Joe?«
»Ein Dollar 50«, sagte Joe nur.
Später wurden die Taschen des Jungen durchsucht. Man fand einen alten Pfadfinderausweis, der vor drei Jahren auf den Namen Robert Louis McMahone, wohnhaft 572 Baltic Street, Brooklyn, New York, ausgestellt worden war.
»Kennt jemand die Gegend?« rief Wilmerson seinen Leuten zu.
Joe nickte: »Die Baltic Street? Eine Querstraße der Fourth Avenue.«
»Nimm dir einen Wagen und fahr hin, Joe! Sieh nach, ob unter der angegebenen Hausnummer wirklich noch eine Familie McMahone wohnt! Immerhin ist der Ausweis drei Jahre alt. Gegebenenfalls versuche, den Vater des Jungen mitzubringen!«
»Okay, Sam.«
Wenig später zog ein Beamter mit den Fingerspitzen ein Päckchen Kaugummi hervor. Er hielt es hoch und sah Wilmerson fragen an.
»Ich verspreche mir ja nichts davon«, brummte der Lieutenant, »aber wir werden das Päckchen trotzdem sicherstellen und auf Fingerabdrücke untersuchen. Wir wollen keine Möglichkeit außer acht lassen.«
So kam es, daß am Nachmittag dieses Tages auf dem Kaugummipäckchen die Fingerabdrücke des Jungen und die eines Mannes ‘ gefunden wurden. Da man diese Abdrücke aber nicht in der Verbrecherkartei finden konnte, waren sie zunächst wertlos. Man nahm sie zu den Akten, wobei von den Sachbearbeitern noch bedauernd auf die zackige Narbe im Daumenabdruck hingewiesen wurde.
Irgendeinen Grund, das FBI in diesen Fall einzuschalten, gab es nicht. Deshalb erfuhren wir die näheren Umstände erst viel, viel später…
***
13 Tage später, nämlich am 27. Mai, rief uns Mr. High, unser Distriktchef, morgens in sein Office. Außer dem Chef waren noch zwei Uniformierte anwesend. Der eine trug Marineuniform und schien ein ziemlich hohes Tier der Navy zu sein, während der andere die schlichte Uniform des Heeres trug. Allerdings hatte er eine kleine rote Litze auf seinen Schulterstücken, die ihn als einen Mann der Spionageabwehr auswies.
»Guten Morgen«, erwiderte Mr. High unseren Gruß und stellte vor: »Meine Herren, das sind die G-men Phil Decker und Jerry Cotton. Das ist Vizeadmiral Rangers vom Navy Yard Brooklyn. Major Blythe vom CIC.«
Wir machten Shakehands.
Der Chef eröffnete das Gespräch mit den Worten: »Phil und Jerry, ich habe einen Auftrag, den ihr annehmen könnt oder auch nicht. Es handelt sich um eine Geschichte, in der möglicherweise Spionage eine Rolle spielt. Ich will keinen meiner Leute zwingen, bei so heiklen Sachen mitzuwirken. Sie sollen an der Aufdeckung einer Sache mitarbeiten, in die vielleicht ausländische Agenten verwickelt sind.«
Ich zuckte die Achseln: »Ich sehe
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