0174 - Lupinas Todfeind
sie eine Werwölfin ist?«
»Hundertprozentig.«
»Und Ihr chinesischer Bekannter ist ein Gefangener dieser Bestie?«
»Nicht nur das. Es sind auch noch andere Gegner dort oben. Ich muß zurück zur Burg.«
»Wobei ich Sie begleiten soll?«
»Natürlich. Nicht nur Sie allein, Herr Pfarrer, auch mein Freund John Sinclair. Haben Sie ihn vielleicht gesehen? Wissen Sie, wo er sich aufhält?«
»Nein.«
»Dann war er wohl nicht hier in Graveline?«
»Soviel ich weiß, nicht.«
»Könnten wir gemeinsam zur Schule fahren?«
Der Pfarrer überlegte nicht lange, sondern nickte. »Das läßt sich bestimmt machen. Aber was ist, wenn wir Ihren Freund dort nicht finden?«
»Müssen wir sofort zur Burg«, erklärte Jane. »Deshalb schlage ich vor, daß Sie Ihre Axt mitnehmen.«
»Sie rechnen mit einer Auseinandersetzung?«
»Ja, Herr Pfarrer. Ich will Ihnen da nichts vormachen. Vielleicht stehen wir auch auf verlorenem Posten, denn meine Waffen trage ich auch nicht bei mir. Ich habe dummerweise meine Handtasche in dem kleinen Leihwagen zurückgelassen. Die müssen wir natürlich vorher holen. Dann stehen unsere Chancen schon besser.«
»Was sind das für Waffen?« erkundigte sich der Geistliche.
»Vor allen Dingen ist es meine Astra-Pistole. Ihr Magazin enthält geweihte Silberkugeln.«
Der Geistliche lächelte. »Sie sind sehr gut vorbereitet, wie ich sehe.«
»Anders kann man nicht gewinnen.«
»Das stimmt.« Der Pfarrer erhob sich und trat an den Schrank.
»Hier bewahre ich die Axt auf«, erklärte er.
Die Tür knarrte, als sie aufgezogen wurde. Jane konnte nicht viel erkennen, sie sah nur, daß einige Kleidungsstücke an einer Stange hingen.
Der Pfarrer beugte sich vor, schob die Kleidungsstücke zur Seite und hatte gefunden, was er suchte.
Die Axt!
Er drehte sich und zeigte Jane die Waffe.
Die Detektivin war fasziniert. Ein schwarzer Holzgriff, der leicht gebogen war, stand in einem direkten Kontrast zu dem hellen Silber der Schneide. Sie war an ihrer Unterseite sehr scharf und das Licht wurde blitzend gebrochen. Die Oberfläche der Schneide fühlte sich rauh an, als Jane mit den Fingerspitzen darüber strich und anerkennend nickte.
»Woher haben Sie die Waffe, Herr Pfarrer?«
»Das ist eine lange Geschichte. Nur soviel sei gesagt. Dieses Gebiet hier schien schon vor langer Zeit eine Heimat für Werwölfe zu sein. Ich habe die Axt in meiner Kirche gefunden. Sie war eingemauert worden. Eine alte Schrift fand ich ebenfalls. Die Worte waren kaum zu lesen, weil verblaßt, doch mir gelang es, sie zu entziffern. Demnach hat einer meiner Vorgänger im Achtzehnten Jahrhundert diese Axt schmieden lassen und sie dann in der Kirche versteckt. Ich fand die Höhlung in der Mauer, als wir renovierten, und habe die Axt behalten, was ich als einen Glücksfall bezeichnen möchte.«
»Das stimmt wirklich.« Jane nickte.
Der Pfarrer wandte sich noch einmal um und holte eine Lederschatulle hervor, in die er die Axt steckte. Sie paßte genau hinein.
»Habe ich mir anfertigen lassen, Mademoiselle«, erklärte er und lächelte.
»Sehr praktisch.«
Der Pfarrer deutete auf die Tür. »Bitte, Mademoiselle, gehen wir und vertrauen wir auf Gott, daß wir gegen diese Brut ankommen und Kraft genug haben, sie zu besiegen.«
Der Meinung war Jane Collins auch.
***
Sie fuhren mit dem Wagen des Geistlichen. Es war ein beiger Peugeot 305. Das Auto parkte neben dem Haus vor der kleinen Garage. »Ich vergesse immer, ihn hineinzustellen«, meinte der Geistliche und lächelte.
Jane war mit den Gedanken nicht bei der Sache. Sie bekam auch von der Fahrt kaum etwas mit und dachte nur an den Fall und auch an John Sinclair. Bisher hatte sie von dem Geisterjäger nicht die geringste Spur entdeckt.
Wo mochte er stecken?
In der Schule? Das war möglich, aber was gab es dort zu finden?
Der Pfarrer merkte, was in Jane Collins vorging und welch schwere Gedanken sie beschäftigten. Er schwieg taktvoll. Erst als sie den schmalen Weg zum Internat hochfuhren, sagte er: »In wenigen Minuten sind wir da.«
Noch eine Kurve.
»Da ist er!« rief Jane plötzlich, weil sie einen freien Blick auf den Platz vor dem Internat hatte.
»Was ist da?«
»Der silbergraue Bentley. Das ist der Wagen, den John Sinclair fährt.«
Der Pfarrer lachte. »Dann müßten wir Ihren Freund ja auch hier finden.« Er stoppte. An der Treppe saßen einige Schülerinnen, die dem ankommenden Wagen entgegenschauten. Sie kannten den Pfarrer und winkten ihm zu.
George
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