0174 - Lupinas Todfeind
herum, sondern kommt endlich zur Sache«, ertönte aus dem Wageninnern eine Stimme.
Die blonde Silva fragte: »Ist sie das?«
»Ja, das ist sie«, bestätigte Marcel.
»Na denn…«
Marcel flüsterte. »Sei nett zu ihr, Silva. Sie ist unsere Königin, denk daran.«
»Deine vielleicht. Nicht meine.« Silva sagte nichts mehr, sondern schaute zu, wie Lupina aus dem schmalen Wagen kletterte. Silva wunderte sich, denn sie sah zum erstenmal diese Mischung zwischen Frau und Bestie.
Bestie insofern, was den Oberkörper anbetraf. Er war über und über mit Fell bedeckt. Menschlich war der Kopf mit dem langen blonden Haar. Allerdings floß es nicht glatt bis auf die fellbedeckten Schultern wie bei Silva, sondern etwas gekraust.
Die beiden Frauen schauten sich an.
Unterdessen standen Foucert und Paretti vor dem Eingang zur Burg. Sie bekamen alles mit, und als sie sahen, wer da zuletzt aus dem Wagen kletterte, wurden ihre Augen groß.
Paretti sagte: »Kneif mich mal, Ro. Ich glaube, ich spinne.«
»Nein, du spinnst nicht. Die gibt es wirklich.«
»Aber verdammt, mit was umgibst du dich da? Ist das ein Scherz?«
»Es ist eine Wölfin, eine Werwölfin.«
Paretti bekam den Mund nicht mehr zu. Er schüttelte den Kopf und schlug sich gegen die Stirn. »So etwas gibt es doch nur im Film«, stöhnte er.
»Vor dir steht das Gegenteil.«
Die ungleichen und doch im Prinzip gleichen Frauen hatten bisher noch kein Wort gewechselt. Wie eine Wand lastete das Schweigen zwischen ihnen. Selbst die drei Wölfe, die Silva begleitet hatten, blieben ruhig.
Marcel und Jovanka merkten, daß Silva und Lupina keine Freundinnen werden würden. Zu groß war der Machtanspruch der Königin, und Silva würde nicht darauf eingehen.
»Ich bin Lupina«, brach die eine endlich ihr Schweigen.
»Das weiß ich.«
»Und ich bin die Königin der Wölfe.«
Da richtete sich Silva auf. Sie reckte ihren Oberkörper hoch. »Die Königin kannst du meinetwegen sein, aber nicht hier. Auf dieser Burg habe ich zu bestimmen.«
»Du widersetzt dich mir?« lautete die scharfe Frage.
»Ja.«
Lupinas Gesicht nahm einen harten Zug an. »Ich gebe dir noch Zeit, deine Meinung zu ändern. Ansonsten sind wir Feinde, Silva!«
»Sogar Todfeinde!«
Eine harte Antwort. Die Geschwister, die dem Dialog stumm zugehört hatten, zuckten zusammen. Mit dieser Reaktion ihrer Schwester hätten sie nicht gerechnet.
Plötzlich lächelte Lupina. »Ich frage dich später noch einmal«, sagte sie.
»Kannst du.«
Die Königin der Wölfe drehte sich um. »Holt den Teppich hervor«, befahl sie.
Die Anordnung galt Jovanka und ihrem Bruder. Beide machten kehrt und steckten die Köpfe von zwei verschiedenen Seiten in den Renault. Marcel schob die Teppichrolle hervor, während Jovanka an der anderen Seite zupackte und sie hervorholte.
Sofort wurden die drei Wölfe unruhig.
Das hörte auch ich. In dem Teppich kam ich mir vor wie eine Ölsardine. Ich konnte mich wirklich nicht rühren. Meine Knochen taten mir weh, und ich war wirklich hilflos. Zusammengerollt, zur Bewegungslosigkeit verurteilt, man konnte mit mir machen, was man wollte. Hart ließ man mich fallen.
Knurren und Hecheln. Die Wölfe waren da, und schon vernahm ich eine bekannte Stimme.
»Zurück, ihr Biester, er gehört uns!«
Das war die Frau von der Fähre. Teufel auch, noch ein Gegner mehr. Ich hätte mich vor Wut selbst irgendwohin beißen können.
»Das ist John Sinclair«, erklärte Lupina.
»Ich kenne ihn«, sagte Silva.
»Woher.«
»Das spielt keine Rolle. Wichtig ist, daß er sich in meiner Nähe befindet, denn er gehört mir.«
»Nein! Da irrst du dich, Silva. Ich habe die älteren Rechte an ihm.«
»Wirklich?«
»Ja.«
Ich bekam jedes Wort mit und fühlte instinktiv, obwohl ich nichts sehen konnte, daß sich so etwas wie eine Vorentscheidung zwischen den beiden anbahnte.
»Ich glaube, du mußt jetzt schon auf deine richtige Größe zurechtgestutzt werden, Lupina. Wir werden der Königin die Krone vom Kopf reißen.« Silva lachte, bevor sie ihren Tieren den scharfen Befehl gab. »Packt sie!«
Normalerweise wären die drei grauen Bestien wie Pfeile gesprungen. Hier jedoch nicht. Sie duckten sich zwar zusammen, um sich abzustoßen, doch da traf sie der Blick.
Lupina schaute sie aus ihren Raubtieraugen an! Es war ein sprechender Blick, ein befehlender, in dem all ihr Willen und ihre Macht lagen.
Sie schien gedankliche Befehle zu erteilen, und die drei Wölfe kuschten. Sie zogen ihre Schwänze ein,
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