0176 - Der Pestvogel
weiter unter den Kleinbus. Katt kam. Er krachte gegen das Blech des Fahrzeugs, schlug ihm eine Delle, streckte die Fänge nach Vladek aus, konnte ihn jedoch nicht erreichen.
Wütend hob der Totenvogel vom Boden wieder ab. Er krächzte zornig und verschwand aus Vladek Rodenskys Blickfeld.
Eine kleine Verschnaufpause.
Vladek begrüßte sie, denn er brauchte sie. Jetzt erst kam der Schmerz voll zum Tragen. Er spürte, wie schwer ihn der verfluchte Totenvogel angeschlagen hatte. Seine Hand blutete stark. Im rechten Oberarm saß ein glühender Schmerz, als stünden die Muskelstränge in Flammen.
Vladeks Blick suchte die Mauser-Pistole. Teufel, es war ihm nicht möglich gewesen, sie gegen Katt einzusetzen. Das ärgerte ihn maßlos. Er sah die Waffe auf dem Boden liegen. Unendlich weit von ihm entfernt. Wenn er sie sich holte, würde er fünf Meter ungedeckt und unbewaffnet zurücklegen.
Auf dieser Strecke konnte er den Tod finden, denn Katt würde ihn wohl sofort wieder angreifen, wenn er sich unter dem Minibus hervorwagte. Es war zwar wieder still in der Garage, aber Vladek rechnete damit, daß Zacharias Katt irgendwo auf der Lauer lag und auf die Gelegenheit wartete, ihn erneut zu attackieren.
Vladek drehte sich um.
Der Schmerz trieb ihm Schweißperlen auf die Stirn.
Er dachte an John Sinclair, der von alldem keine Ahnung hatte.
Vielleicht suchte John ihn in diesem Augenblick schon in der Bar, und er war nicht da, weil Katt ihn in die Tiefgarage gelockt hatte, um ihn hier zu töten.
Würde John herunterkommen?
Gemeinsam konnten sie Zacharias Katt schaffen. Es brauchte ihn einer bloß abzulenken, dann konnte der andere ihm den Garaus machen. Wenn die grauenvollen Ereignisse in Wien ein Ende nehmen sollten, mußte Zacharias Katt sterben. Erst wenn der Abgesandte der Hölle tot war, würden die Menschen in dieser Stadt aufatmen können.
Vladek hörte das Brummen eines Wagens.
Er fragte sich, wie Katt darauf reagieren würde. Würde er das Weite suchen? Würde er den Autofahrer angreifen und töten?
Das Fahrzeug rollte in eine Parkbox.
Ahnungslos stiegen zwei elegant gekleidete Männer aus. Sie unterhielten sich über den schwankenden Dollarkurs, stellten Mutmaßungen an, was mit dem Geld passieren würde, wenn auf den amerikanischen Präsidenten ein zweites Attentat verübt werden sollte, schritten zwei Autos entfernt an Vladek Rodensky vorbei.
Der Brillenfabrikant verhielt sich ruhig.
Er wollte nicht, daß die beiden Männer auf ihn aufmerksam wurden, denn sie hätten ihm nicht helfen können. Wenn er sich bemerkbar gemacht hätte, hätte er die Männer unnötig in Gefahr gebracht.
Katt hätte sich bestimmt auch auf sie gestürzt.
Ohne zu wissen, in was für einer Gefahr sie schwebten, begaben sie sich zum Fahrstuhl. Katt ließ sie in Ruhe. Er wollte Vladek Rodensky haben, doch der Brillenfabrikant hatte nicht die Absicht, sich dem Totenvogel wehrlos zu ergeben.
Er wollte gegen den gefiederten Killer bis zum letzten Atemzug kämpfen.
Die Stille war trügerisch.
Vladek peilte mit einem Auge unter dem Minibus hervor.
Wo steckte Katt?
Der Brillenfabrikant biß die Zähne zusammen und rutschte langsam unter dem Kleinbus hervor. Er mußte es riskieren. Er konnte nicht ewig unter dem Fahrzeug liegen blieben. Er mußte versuchen, wieder in den Besitz seiner Pistole zu gelangen.
Erst wenn ihm das geglückt war, hatte er wieder eine Chance gegen den gefährlichen Totenvogel. Zentimeter um Zentimeter schob sich Vladek vorwärts. Kein Geräusch verursachte er dabei.
Seine Sinne waren hellwach. Er paßte höllisch auf.
Nichts passierte.
Weiter.
Vladek schob sich unter dem Kleinbus hervor. Nirgendwo war der gefährliche Vogel zu sehen. Er war doch nicht etwa abgeschwirrt. Vladek Rodensky konnte sich das nicht vorstellen. So leicht steckte Zacharias Katt bestimmt nicht auf. Nein, es war besser, noch mit Katts Anwesenheit zu rechnen. Das ersparte eine unliebsame Überraschung.
Der Blick des Brillenfabrikanten richtete sich auf die Mauser. Bis zu ihr würde er einige Meter ungedeckt zurücklegen müssen. Ein großes Risiko. Aber Vladek Rodensky war entschlossen, es auf sich zu nehmen.
Er erhob sich.
Jede Bewegung tat ihm weh.
Geduckt stand er nun neben dem Minibus. Er sammelte Kräfte, und dann gab er sich selbst das Startzeichen: Jetzt!
Wie vom Katapult geschleudert sauste er los. Schon hatte er die Hälfte des Weges zurückgelegt. Da tauchte Zacharias Katt wieder auf. Knapp unter der Garagendecke sauste
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