0177 - Melinas Mordgespenster
alte Standuhr, das Sideboard aus Mahagoni, und obwohl die Möbel alt waren und meist dunkel gebeizt, strahlte diese Diele eine gewisse Freundlichkeit und Helligkeit aus, was auch an den hellen Tapeten lag, die an den Wänden klebten.
Eine Treppe führte nach oben. Auf der zweitletzten Stufe stand mein Vater.
»Willkommen zu Hause, John!« sagte er.
Ich hatte ihn erst gar nicht gesehen. Jetzt drehte ich den Kopf und schaute meinen Vater an.
Das war Horace F. Sinclair, wie er leibte und lebte. Noch immer hatte er eine Vorliebe für leicht karierte Anzüge aus bestem Tuch und auch für dezente Krawatten. Er trug eine sportliche Jacke, die an den Ärmeln mit Leder abgesetzt war. Aus der Reverstasche schauten die Stiele zweier Pfeifen. Auch sein Haar war grau geworden, doch es zeigte eine sehr hohe Dichte, so daß es wie ein Helm um seinen Kopf lag. Der Mund in dem braungebrannten Gesicht war zu einem Lächeln verzogen, in den Augen blitzte die Freude über das Wiedersehen.
»Dad, du alter Rechtsverdreher!« rief ich, lief auf ihn zu, und dann umarmten wir uns.
Auch er fragte mich nach meiner Verletzung, und ich benutzte eine Ausrede.
Mein Vater lächelte auf eine gewisse Art und Weise, die mir klarmachte, daß er mir die Notlüge ebenfalls nicht abnahm. Er legte mir seine Hand auf die Schulter und führte mich an den runden Tisch, der in einem Erker stand. Kleine, bequeme Sessel standen um den Tisch herum, und ich nahm Platz, wobei ich die Beine ausstreckte.
Kinder, das tat gut.
»Was möchtest du trinken?« fragte mich mein Vater, während Mutter neben mir stehengeblieben war und eine Hand auf meine Schulter gelegt hatte.
Ich hatte zwar zwei Tabletten geschluckt, aber einen kleinen Whisky konnte ich nehmen.
»Der Scotch ist sehr alt«, erklärte mein Vater und hob die Flasche hoch. »Dann gib mir einen kleinen.«
»Was ist los, John? Bist du unter die Antialkoholiker gegangen?«
»Nein, aber ich habe zwei Tabletten geschluckt.«
»Ah, so ist das.«
Ich nahm trotzdem einen kleinen Schluck. Meine Mutter trank nichts.
Das hatte sie schon früher nicht getan.
»Cheers«, sagte mein Vater und hob sein Glas. »Auf die Heimkehr des verlorenen Sohnes.«
Ich lachte. »So schlimm ist es ja auch nicht, Dad.«
»Aber fast.«
Ich stellte das Glas weg. Und schon unterstützte mich meine Mutter.
»Der Junge hatte eben wenig Zeit.«
Mein Vater zog die Stirn kraus. »Ich weiß nicht so recht, ob das stimmt. Du warst doch sicherlich öfter in Schottland. Deine Mutter hat sich so manche Nacht…«
»Ach, laß das doch.«
Ich senkte den Kopf. Klar, das man mir Vorwürfe machte. Zu recht, ich besaß auch kaum ein Argument, um sie zu entkräften. Und doch wollte ich eine Antwort geben.
»Sicher, Dad, ich war in Schottland. Sogar mehrere Male, aber ich habe dir auch von meinem Job geschrieben und wie gefährlich er ist. Ich wollte euch nicht mit hineinziehen, verstehst du? Meine Gegner sind Dämonen und finstere Mächte. Ich habe Dinge erlebt, Dad, wenn ich die erzählen würde, dann hieltest du mich für verrückt. Aber sie sind passiert. Ich bin mit dem Grauen konfrontiert worden. Und zwar in allen Varianten. Ich habe sogar Zeitreisen gemacht, bin in der Vergangenheit gelandet und habe dort Vampire getötet. Das mußt du dir mal vorstellen. Unwahrscheinlich. Dann bin ich durch sogenannte Dimensionstore in andere Welten gelangt, in Dämonenreiche, die nie eines Menschen Auge gesehen hat, sogar ins alte Atlantis hat es mich verschlagen, und ich habe den Untergang des Kontinents miterlebt.«
Meine Mutter hatte noch immer ihre Hand auf meiner Schulter liegen.
Als ich schräg hochschaute, sah ich ihr blasses Gesicht. Sie bemerkte meinen Blick und flüsterte: »Aber das ist ja schrecklich, John, mein Junge.«
»Laß nur, Mum, irgendwie gewöhnt man sich daran.«
Mein Vater nickte. »Ich weiß, John, denn man hat mich auf dem Laufenden gehalten.«
Jetzt war ich überrascht. »Wer?«
»Dein Chef, Sir James. Ich habe ihn oft angerufen. Mindestens zweimal im Monat.«
Das war wirklich ein Ding. »Davon wußte ich nichts, Dad.«
»Solltest du auch nicht, John.« Er nahm noch einen Schluck Whisky.
»Wir sind deine Eltern, du bist der einzige Sohn, und wir wollten informiert darüber sein, wie es dir geht. Verständlich?«
»Klar.«
»Und wie steht es mit einer Heirat?« fragte mich meine Mutter. »Alt genug bist du ja. Da gibt es doch eine gewisse Jane Collins, wie ich hörte.«
Ich lachte. »Ja, Jane ist in Ordnung,
Weitere Kostenlose Bücher