018 - Die Vampirin Esmeralda
gab es fast ausschließlich nur in die Wand eingelassene Grabstätten, die mit Steinplatten verschlossen waren; ein einziger Sarkophag stand frei herum. Juan wartete, bis die Männer an den Grüften Aufstellung genommen hatten, dann hob er unter Aufbietung seiner ganzen Kraft den Deckel von dem Steinsarg.
Wie er nicht anders vermutet hatte, war dies die Ruhestätte des Grafen de Godoy. Aber er war nicht allein. Neben ihm lag Isabell Fuenseca. Juan blickte auf ihr maskenhaftes Gesicht, das selbst jetzt noch ungewöhnlich schön war. Außer Esmeralda hatte er noch keine schönere Frau gesehen. Er schüttelte seine Hemmungen ab, setzte den Pflock mit leicht zitternder Hand dem Grafen auf die Brust, holte aus und schlug mit dem Holzhammer zu. Krachend durchbohrte die Holzspitze den Brustkorb des Vampirs. Blut spritzte aus der Wunde. Juan schlug noch einmal zu. Die Hände des Grafen zuckten, das war alles. Seine Augen blieben geschlossen, kein Laut kam über seine Lippen.
Juan holte den nächsten Pfahl aus dem Gürtel, setzte ihn auf Isabells Brust und holte wieder aus. Da öffnete Isabell die Augen. Ein unheimlicher Schrei kam aus ihrer Kehle. Juan schlug zu, aber er traf den Pflock nicht richtig. Isabell raffte sich auf und stürzte aus dem Sarkophag. Der Pflock ragte ihr aus der Brust, aber er hatte ihr Herz noch nicht getroffen. Juan schlug mit dem Hammer nach ihrem Kopf und traf sie voll, so daß sie gegen die Wand geschleudert wurde. Er wirbelte sie herum, obwohl sie wie rasend um sich schlug, und trieb ihr dann den Pfahl mit einem einzigen Schlag tief in den Körper.
Einige der anderen Vampirtöter hatten diesem Schauspiel schreckenstarr zugesehen. Doch als die ersten Steinplatten von den Wänden fielen, die Sargdeckel umkippten, kam Leben in sie. Sie vergaßen ihre Angst vor dem Übernatürlichen; ihr Selbsterhaltungstrieb gewann die Oberhand. Sie wußten, daß sie jetzt rücksichtslos töten mußten, wollten sie nicht selbst zu solchen Scheusalen werden.
Und sie führten das grausige Vernichtungswerk fort, das Juan Garcia de Tabera begonnen hatte.
Nur ein Mann zögerte den Bruchteil einer Sekunde, als sich aus einem offenen Sarg Señor Fuenseca erhob. Fuenseca hatte die Lippen fest zusammengepreßt, so daß seine Vampirzähne nicht zu sehen waren und man ihn leicht für einen normalen Menschen halten konnte. Aber da rief der junge Mann die Jungfrau Maria an und hielt Fuenseca gleichzeitig ein geweihtes Kreuz entgegen. Fuenseca brüllte tierisch auf und entblößte seine Vampirzähne. Der Mann pfählte ihn.
Juan suchte verzweifelt nach Esmeralda. Er riß eine Grabplatte nach der anderen von der Wand, bis ihm nur noch ein Pflock verblieb. Den wollte er sich für Esmeralda aufheben, falls sie ein Opfer des Grafen geworden war, aber als er ihr dann unvermittelt gegenüberstand, verließ ihn seine Kaltblütigkeit.
Sie war aus einer der Grüfte geschlüpft und in ein angrenzendes Gewölbe geflüchtet. Als Juan sie sah, folgte er ihr und stellte sie in einer Ecke, doch konnte er sie nicht so ohne weiteres töten. Ihr häßliches, von unzähligen Wunden entstelltes Gesicht stieß ihn nicht ab, sondern erweckte sein Mitleid.
»Es tut mir leid, Esmeralda«, sagte er mit krächzender Stimme, als er mit dem Pfahl und den Hammer auf sie zukam.
»Warte!« flehte sie mit schriller Stimme.
Er zögerte.
Sie fuhr geifernd fort: »Verschone mich, Juan! Laß mich leben, damit ich meine Rache vollziehen kann!«
»An Lucero?«
»Nein. An dem Mann, dem ich dies alles zu verdanken habe. Er allein ist an meinem Schicksal schuld. Erinnerst du dich, daß ich dir erzählt habe, in ferner Zukunft mit einem Mann vermählt worden zu sein, Juan? An ihm will ich mich rächen.«
Er erinnerte sich sogar noch an den Namen des Mannes und das Datum, an dem sie in der Herberge zum Verirrten Lamm abgestiegen war. Diese Gedanken lenkten ihn für einen Moment ab. Und diesen Augenblick nutzte Esmeralda zur Flucht. Sie sprang zur Seite, und ehe Juan sie daran hindern konnte, verschwand sie in einem dunklen Gang. Juan griff sich eine Fackel und nahm die Verfolgung auf, doch gelang es ihm nicht, sie in dem Gewirr der unterirdischen Gänge zu finden.
»Das ist nun schon viereinhalb Jahrhunderte her«, schloß die Häßliche ihre Erzählung. »So lange mußte ich mit meiner Rache warten. Jetzt ist es endlich soweit. Ich will nur dich töten, Lester. Alles andere ist mir gleich.«
Lester, die scharfe Messerklinge an der Kehle und von den
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