018 - Eleanors Baby
Ich persönlich könnte mich bestimmt nicht von einem kurieren lassen, weil ich zu skeptisch bin, aber viele Leute werden durch sie wieder gesund – weil sie glauben.«
»Kennen Sie persönlich jemanden, der an einer schlimmen Krankheit litt und nach Lourdes oder einem ähnlichen Ort pilgerte und gesund zurückkam?« fragte Eleanor.
»Nein, mein Kind. Aber ich hatte vor Jahren einen Patienten, der Krebs im Endstadium hatte. Bei einem Hausbesuch befürchtete ich, dass er nicht mehr länger als zwei Tage leben würde. Da kamen die Leute seiner Sekte und beteten für ihn. Ich bin Arzt, darum darf ich Ihnen nicht sagen, dass der Mann dadurch geheilt wurde. Jedenfalls ging er bald danach schon wieder seiner Arbeit nach – und er lebt noch heute. Hin und wieder bitte ich ihn zu einer Untersuchung zu mir. Das Karzinom ist nicht wieder auf getreten.«
»Dann glauben Sie also doch?«
»Nein, ich glaube nicht, aber ich leugne auch nicht. Ich habe von Leuten gehört, die jemandem, den sie sehr liebten, genau in der Todesstunde erschienen, obwohl sie meilenweit entfernt waren. Die Wissenschaft hat noch nicht einmal angefangen, die Fähigkeiten des menschlichen Geistes zu erforschen. Woran ich glaube, ist die Seele des Menschen, und darum kann ich mir auch vorstellen, dass so etwas, wie Sie mir erzählten, geschehen kann.«
»Leben nach dem Tod lässt sich aber nicht beweisen.«
»Beweisen! Pah! Sagen Sie, kann man die Existenz der Liebe wissenschaftlich beweisen? Nein. Die Existenz der Liebe lässt sich nicht beweisen. Aber, das es die Liebe gibt, steht fest. Ein Gehirn kann man physisch einteilen und kategorisieren. Wir sind imstande, zu sagen, dieser Teil kontrolliert die Bewegungsfunktion, dieser den Gedankenprozess, ein anderer das Erinnerungsvermögen. Es gab Zeiten, da wurden an Verbrechern und bestimmten Geisteskranken Lobotomien ausgeführt, um ihre gefährlichen Triebe auszuschalten. Man vermag den Teil des Gehirns zu entfernen, der für die Gefühle des Menschen zuständig ist, aber man kann nicht an eine bestimmte Stelle deuten und sagen, woher es kommt, das der eine Mensch so sehr hasst, dass er sogar tötet, während ein anderer des Hasses überhaupt nicht fähig ist.«
»Aber was ist, wenn sich herausstellt, dass das Baby eine Missgeburt oder gar ein Monster ist?«
»Es wird sicher ein ganz normales Baby werden«, tröstete er sie.
»Könnten Sie keine Röntgenaufnahme machen, damit wir sichergehen, dass es körperlich normal ist?«
»Ich könnte schon, aber ich tue es nicht. Röntgenstrahlen sind für ein Ungeborenes sehr gefährlich. Und ich halte es auch nicht für notwendig. Das Baby ist kräftig und gesund.«
Auf dem Heimweg dachte Eleanor an die vielen Bibelgeschichten, in denen Engel den Menschen erschienen waren, und an Johanna von Orleans, die Stimmen gehört hatte; und Bernadette, die Kindern erschienen war. Früher hatte sie an der Wahrheit solcher Legenden gezweifelt. Zwar interessierte sie sich schon immer sehr für Astrologie, aber das war doch etwas anderes. Der Mond war zum Beispiel für Ebbe und Flut verantwortlich; und ohne die Sonne gäbe es überhaupt kein Leben auf der Erde. Darum war es ihr auch nicht unmöglich erschienen, dass der Stand der Sterne Einfluss auf das Leben der Sterblichen hatte. Aber dass die Geister der Toten den Menschen erscheinen – nein, daran hatte sie nicht geglaubt.
Sie holte die beiden Jungen bei Helen Greenfield ab.
»Mom, darf ich noch ein bisschen zu Randy Deeter?«
Benjie hatte in der Nachbarschaft einen gleichaltrigen Freund gefunden.
»Ja, aber sag Mrs. Deeter, dass du um fünf Uhr zu Hause sein musst.«
»Mommie, darf ich mitgehen? Mom, bitte!« bettelte Neal.
»Frag deinen Bruder! Du kannst nicht von ihm erwarten, dass er dich überall mitnimmt.«
»Och, er kann ruhig mit. Er stört uns nicht. Er spielt ja immer mit Randys kleiner Schwester, nicht wahr, Neal?« Neal grinste. »Ja. Weißt du, Mom, wir werden heiraten. Nächste Woche vielleicht.«
»Oh, das ist aber schön!« Sie lächelte. »Du bist ja dumm«, brummte Benjie abschätzig. »Du kannst ja noch gar nicht heiraten. Als ich klein war, habe ich mir auch eingebildet, dass ich bald heiraten werde«, sagte er mit der ganzen Würde seines Alters. Benjie war vor drei Wochen neun Jahre alt geworden.
Neal lief vor Wut rot an. »Und ich kann doch heiraten!«
»Nein, das kannst du nicht. Du musst erst einen Job haben und ein Auto fahren können. Nicht wahr, Mom?«
»Stimmt«, sagte
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