0181 - Gefangen in Zentral-City
„Dort vorn ist der Kanal wahrscheinlich am Ende angelangt. Ich spüre bereits frische Luft." Er fühlte, daß ihn neue Zuversicht überkam. Es war schon ein großer Erfolg, daß sie überhaupt einen Ausgang aus diesem Labyrinth gefunden hatten. Noir beschleunigte seine Geschwindigkeit. Die Aussicht auf frische Luft schien ihn zu beflügeln. Es wurde zunehmend heller. Bald konnten sie durch den Kanalausgang aufs Meer hinaussehen. Da blieb Kasom ruckartig stehen. „Was ist los?" fragte Noir gespannt. „Ein Boot", flüsterte Kasom.
„Ich glaube, ein Schiff glitt dort draußen vorüber." Eng an die Wand gepreßt, gingen sie weiter. Weiter vorn sahen sie, daß Kasoms scharfe Augen sich nicht getäuscht hatten. Vor dem Kanalaustritt patrouillierte ein plophosisches Suchboot. Zwei weitere kreuzten in der ausgedehnten Bucht, die sich vor den beiden Flüchtlingen ausbreitete. Betroffen betrachtete Kasom das Schiff, das in einer Entfernung von etwa fünfhundert Metern langsam durchs Wasser glitt.
„Was nun?" fragte Noir ruhig. „Hier können wir auf keinen Fall bleiben", erwiderte der USO-Mann. „Sie suchen uns, daran besteht kein Zweifel. Wahrscheinlich werden sie auch bald durch die Kanäle kommen." Noir wischte hartgetrockneten Schmutz aus dem Gesicht. Er sah aus wie ein heruntergekommener Tramp. In seinen Augen jedoch leuchtete Entschlossenheit, die einmal begonnene Flucht fortzusetzen.
„Hoffentlich haben sie noch keinen von uns erwischt", äußerte Kasom.
„Sobald wir herausschwimmen, werden sie uns entdecken", prophe- zeite Noir trübsinnig.
Kasom überlegte einen Augenblick. Für Männer, die in seiner Nähe weilten, wirkte der Ertruser wie ein Fels, und sein augenblickliches Aussehen verstärkte diesen Eindruck noch.
„Ich habe eine Idee", sagte er zu Noir. Er löste den Pilz vom Gürtel und begann mit seinen kräftigen Fingern ein Loch hineinzukratzen. Noir sah ihm gespannt zu. Der Ertruser arbeitete schweigend, die mächtigen Muskeln seiner Oberarme spannten sich, als er das Fleisch in großen Fetzen aus dem Pilz riß. Schließlich hatte er eine Höhlung durch die Pflanze gegraben.
„So könnten wir es schaffen", sagte er. „Was haben Sie vor, Kasom?"
wollte der Hypno wissen. Der Spezialist zeigte auf die überall herumschwimmenden Pilze. „Sie können unmöglich jeden einzelnen Pilz untersuchen", erklärte er. „Das ist unsere Chance."
Mit diesen Worten zog er den ausgehöhlten Stengel ein Stück über den Kopf. Durch die groteske Kopfbekleidung sah er noch wilder aus als zuvor. „Ich glaube, die Plophoser würden bei Ihrem bloßen Anblick die Flucht ergreifen", sagte Noir mit Galgenhumor. Kasom nickte. Er hob einen weiteren Pilz aus dem Wasser und fertigte für den Mutanten ebenfalls eine Tarnkappe an. Noir stülpte den primitiven Hut über den Kopf und grinste Kasom an. „Vielleicht haben wir in diesem Augenblick eine neue Mode kreiert", meinte er.
Kasom setzte sich in Bewegung, die Pflanze schwankte auf seinem großen Schädel, als würde sie jeden Augenblick herunterfallen. Doch Noir sah bald, daß seine Bedenken unnötig waren. Der Ertruser hatte gute Arbeit geleistet. Bald war das Wasser tief genug, daß sie schwimmen konnten. Kasom ging in die Knie und trieb mit weitausho- lenden Stößen aus dem Kanal hinaus. Er schien nicht die geringste Furcht zu haben. Noir ließ sich ins Wasser sinken und folgte ihm. Er war nie ein besonders guter Schwimmer gewesen, aber er hoffte, daß er Kasom einholen konnte. Ohne sich um das plophosische Schiff zu kümmern, schwammen die beiden Männer in die Bucht hinaus. Gleich darauf sahen sie die Gleiter, die über dem Wasser kreisten. Das alles deutete auf die Entschlossenheit der Plophoser hin, ihre Gefangenen auf jeden Fall wieder in die Hände zu bekommen. Noir kniff die Augen zusammen, um auf der spiegelnden Wasseroberfläche bes ser sehen zu können. Überall trieben Schwärme der eigenartigen Pilze vorbei. Das verstärkte ihre Aussicht, das andere Ende der Bucht zu erreichen. Tollkühn steuerte Kasom direkt auf das plophosische Boot zu. Noir war erleichtert, als das Suchschiff abdrehte und Kurs auf einen ande- ren Kanal nahm. Inmitten des Wassers kam er sich verloren vor, es schien ihm mit einem Male aussichtslos zu sein, diese Flucht erfolgreich abzuschließen. Wohin konnten sie sich auf dieser Welt schon wenden? Kasom schien nicht von derartigen Gedanken geplagt zu werden. Zielstrebig schwamm er davon, ohne auch nur einen Blick zurück zu
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