0182 - Mord ist kein Geschäftsbetrieb
einen Pfiff aus.
»Und was muss ich dafür tun?«
»Nicht mehr, als ich vorhin gesagt habe. Du gehst zu dem Mann und sagst zu ihm, dass er noch fünftausend Dollar zu zahlen habe.«
»Er wird mich mit'Fußtritten aus der Tür jagen«, sagte ich lachend. »Ich jedenfalls würde es tun, wenn einer angelatscht kommt und fünftausend Scheine haben will.«
»Er wird es nicht tun. Er wird zahlen. Nimm keinen Scheck an und achte darauf, dass er die Nummern der Noten nicht notiert.«
Ich sah Brown misstrauisch an.
»An der Sache gibt es einen Haken, Charly. Du kannst mir nicht weismachen, dass irgendetwas an der Geschichte nicht faul ist.«
»Es ist alles in Ordnung.«
»Okay, warum gehst du dann nicht selbst, um die fünftausend Dollar zu kassieren. Nur fürs Abholen zahlst du mir niemals zwanzig Prozent.«
Er verdrehte die Augen.
»Ich will dir etwas Gutes zukommen lassen, mein Junge. Ich…«
»Hör auf, oder es wird mir übel. Ich habe noch nie einen Gang-Chef gesehen, der gleichzeitig das Gemüt eines Heilsarmeegenerals besessen hätte. Ich bin lange genug in der Branche, um zu wissen, dass nur ein Geschäftsprinzip gilt: Gezahlt wird nach Leistung. Und Leistung bedeutet bei uns immer Risiko. Ich muss das Risiko kennen. Manchmal ist es so groß, dass tausend Dollar dafür nur ein Pappenstiel sind.«
Brown verzog ärgerlich das Gesicht.
»Vor einem Jahr habe ich Lemmon und vor ein paar Monaten Honnan die gleiche Chance eingeräumt, die ich dir jetzt gebe. Keiner von beiden hat so viel gefragt, und wie du siehst, leben sie immer noch.«
»Das mag sein, aber ich frage. Ich sehe gern klar.«
Er nippte an seinem Glas.
»Zum Henker«, fluchte er gedämpft, »aber schön, ich werde es dir sagen. Der Mann ist ein wohlhabender Bursche, dem wir vor etwa vier Monaten einen großen Dienst erwiesen haben. Er hat dafür gezahlt und glaubte, die Angelegenheit damit als erledigt betrachten zu können. Ich habe ihm vier Monate Zeit gelassen, damit er sich sicher glaubt. Er wird nicht eine Sekunde zögern zu zahlen. Er weiß, dass für ihn alles verloren ist, wenn wir unseren Mund nicht halten, denn es ist kein Mann aus unserer Branche, der vielleicht versuchen würde, die Sache von sich aus mit einer Pistole in der Hand zu bereinigen. Er ist das, was man einen guten Bürger nennt.«
»Und welchen Gefallen habt ihr ihm getan?«
Brown antwortete nicht, und ich schoss einen Pfeil ins Blaue ab.
»Habt ihr irgendwen für ihn erledigt?«, fragte ich leichthin.
Brown starrte mich aus seinen Fischaugen an. Ich tat, als hätte er meine Frage beantwortet.
»Donnerwetter«, sagte ich kopfschüttelnd. »Das hätte ich keinem von euch zugetraut. Al Sawer ist zu dämlich dazu, die Brüder zu unzuverlässig, Honnan zu eitel, Sid zu vorsichtig, und du, Charly, du begehst sicherlich nicht eigenhändig einen Mord, solange du irgendjemand dafür findest, den du bezahlen kannst.«
»Wer sagt dir, dass es sich um Mord handelt?«, fragte er leise, aber wütend.
Ich tat überrascht. »Handelt es sich nicht darum? Was dann? Ich wüsste nicht, was es sonst gibt, das so gut bezahlt wird.«
Wieder erschien sein widerliches Lächeln.
»Du hättest keine Bedenken, es zu tun, wenn es gut genug bezahlt wird?«
»Alles kommt auf die Höhe der Summe an«, antwortete ich. »Es gibt nichts, was man nicht kaufen kann.«
»Du wirst deinen fetten Fisch in meinem Teich finden«, sagte er. »Der Mann heißt Richard Nelson, und er wohnt Howard Street 112.«
***
Das Haus 112 in der Howard Street war ein Bürohaus mit Portier und Aufzug. Ich erkundigte mich beim Portier nach Mr. Nelson. Er überlegte einen Augenblick lang.
»Nein, Mr. Nelson wohnt nicht hier«, antwortete er dann, »aber vielleicht heißt einer der Firmeninhaber so.«
Er telefonierte ein wenig im Haus herum und erfuhr, dass der Inhaber der Atlantic Fruit Inc. Richard Nelson hieß.
»Vierte Etage, Zimmer 402 bis 414.«
Ich fuhr hinauf und klopfte an eine verglaste Tür, die die Aufschrift trug: Atlantic Fruit Inc. - Anmeldung.
Dahinter saß eine Dame, die eine Schreibmaschine bearbeitete. Als ich eintrat, hörte sie auf, die Tasten zu hämmern, nahm die Brille ab und wurde sofort viel hübscher.
»Sie wünschen?«
»Ich möchte Mr. Nelson sprechen.«
»In welcher Angelegenheit?«
»Hören Sie, Darling«, antwortete ich. »Ich fürchte, das geht nur Mr. Nelson und mich etwas an.«
Sie zuckte beleidigt die Achseln, schwirrte durch die Hintertür ab, kam nach einigen Minuten
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