0184 - Für jedes Grinsen eine Kugel

unhörbar in seinem Lachanfall vor sich hin.
    »Mama mia, hat man das schon gesehen!« schnaufte Bastiani wütend. »Ich denke, du bist mausetot, erledigt, bumm, aus, und du liegst hier und lachst! Was gibt es zu lachen, he?«
    »Du — du hättest dich sehen sollen, wie du gespuckt hast, als ich dich in die Gosse geschleudert hatte!« prustete Norton heraus. »Schreikrämpfe könntest du kriegen, wenn du dein Spucken gesehen hättest!«
    Bastiani räusperte sich und spuckte noch einmal aus. Es war schon wahr, er war unglücklicherweise gerade in eine Gosse geflogen, in der das Abfallwasser eine halbe Hand hoch stand. Aber, zum Teufel, war das vielleicht ein Grund zum Lachen? Wütend ließ er den Lichtschein auf seinen Uniformrock fallen. Halb ohnmächtig schloß er die Augen, als er sah, wie sein Rock jetzt aussah.
    Norton stand auf.
    »He, wo willst du hin?« rief ihm Bastiani nach, als er sah, daß der Kollege eilig die Straße überquerte.
    »Bin gleich wieder da!« rief Norton über die Schulter zurück und ging in der Telefonzelle an der nächsten Straßenecke. Er führte nur ein kurzes Gespräch, denn er kam tatsächlich bald zurück.
    »Wen hast du angerufen?« fragte Bastiani.
    »Das Revier. Ich habe ihnen die Nummer des Wagens durchgesagt, mit dem unser Musterschütze entkommen ist. Vielleicht erwischen ihn unsere Streifenwagen noch. Komm, nun hör auf über das bißchen Dreck zu jammern! Mit einer Bürste kriegst du morgen früh, wenn es trocken geworden ist, das Jackett wieder schön sauber. Laß uns lieber mal die Plakatwand da hinten absuchen.«
    Bastiani tippte mit dem Zeigefinger gegen die Stirn.
    »Die Plakatwand? Sag mal, du bist doch nicht etwa auf den Hinterkopf gefallen, he? Vielleicht ein bißchen zu fest aufgebumst, wie?«
    »Keine Spur«, sagte Norton. »Ich bin genauso sanft und gut zu Boden gekommen, wie ich es vorhatte. Aber dein Kopf scheint das Gegenteil einer Medizinflasche zu sein.«
    Bastiani verdrehte seine Glutaugen und kratzte sich in seinen Schmachtlocken.
    »Das Gegenteil einer Medizinflasche?« wiederholte er verständnislos. »Wieso?«
    »Eine Medizinflasche muß man vor Gebrauch schütteln«, grinste Norton. »Bei deinem Kopf scheint's umgekehrt zu sein. Wenn er vorher geschüttelt wird, tut er‘s überhaupt nicht mehr. Was glaubst du wohl, wo die beiden Kugeln hin sind, die einen von uns kassieren sollte, he?«
    »Keine Ahnung!« strahlte Bastiani. »Weg, verschwunden, hinüber.«
    »Du bist hinüber«, nickte Norton gelassen. »Die Kugeln müssen, wenn mich nicht alles täuscht, dort hinten in der Plakatwand stecken. Jedenfalls steht die Tafel ziemlich genau in der Richtung, in der die Kugeln flogen. Komm, sei schön brav, Makkaronifritz, und hilf mir suchen.«
    »Huuiii!« rief Bastiani und schwenkte seine Mütze. »Heranspaziert, Ladys und Gentlemen! Heute erleben Sie unseren Wunderdetektiv Sherlock Holmes bei seinen überraschenden und genialen…«
    »Tja«, nickte Norton, »wenn du jetzt wüßtest, wie du den Satz zu Ende kriegen könntest, was? Nimm's nicht tragisch, du sprichst eben nur gebrochen amerikanisch.«
    Das war Bastianis wundeste Stelle. Wie viele Leute, die neu eingewandert sind oder jedenfalls keine Ursache haben, sich als amerikanische Familienkette zu empfinden, bestand sein ganzer Stolz darin, ein akzentfreies Amerikanisch zu sprechen. Er sagte Norton einen Katalog von mehr oder minder unbeliebten Tieren auf. Norton bewunderte im stillen das Gedächtnis seines Kameraden. So viele Viecher hätte ein anderer schwerlich so schnell aufzählen können.
    Sie brauchten an der aus Brettern und Balken aufgestellten Plakattafel nicht lange zu suchen bis sie eine Kugel fanden. Mit dem Taschenmesser gruben sie das Projektil aus dem Balkenholz heraus. Die zweite Kugel hatte die wesentlich dünneren Bretter durchschlagen und war irgendwo in der Finsternis verschwunden.
    »Macht nichts«, sagte Norton und betrachtete die verhältnismäßig unbeschädigte Kugel gründlich. »Die wird ausreichen zu einem Indizienbeweis.«
    Noch bevor Bastiani etwas erwidern konnte, schoß aus der nächsten Querstraße ein Streifenwagen des Reviers heran.
    Norton ließ die Kugel in seine Brusttasche gleiten und enterte mit Bastiani den Wagen, der nicht anhielt, sondern nur die Geschwindigkeit drosselte, bis beide Männer hineingeklettert waren.
    »Wieviel Zeit braucht ihr bloß, um vom Revier bis nach hier zu kommen?« frozzelte Bastiani die beiden Beamten. »Oder seid ihr über Chicago