0184 - Für jedes Grinsen eine Kugel
Alle gingen un verzüglich ins Hinterzimmer.
Klinger rieb sich zufrieden die Hände Als Lines ebenfalls im Hinterzimmer verschwunden war, saßen außer den Wirt dort vierzehn Männer. Das konnte eine hübsche Zeche werden, wenn die Burschen nur einigermaßen Durst mitgebracht hatten.
Nach ein paar Minuten ging die Tür zum Hinterzimmer auf und Lines rief:
»Fel, bringen Sie uns elf Bier und vier Whisky!«
»Elf Bier, vier Whisky!« wiederholte Klinger geschäftsmäßig und machte sich an die Arbeit.
Als er die Bestellung ins Hinterzimmer brachte, lagen auf dem langen Tisch ein paar aufgerissene Briefumschläge von der Art, wie sie Klinger in Empfang genommen hatte. Während er selbst aber nur drei solche Umschläge bekommen hatte, lagen jetzt wenigstens zwei Dutzend auf dem Tisch.
Stephen Bander, der Mann, der jeden Vormittag einen Kaffee bei Lines trank und stets vier Cent Trinkgeld gab, hatte seine fleischigen Hände vor seinem Leib gefaltet und sah zufrieden auf das aufgeschlagene Heft, das vor ihm lag. Klinger konnte von weitem sehen, daß es eine Art Liste war. Hinter jedem Namen gab es eine Reihe von Spalten, in denen Zahlen eingetragen waren.
»Los, Fel, machen Sie schon!« sagte Lines ungeduldig.
Klinger beeilte sich. Aber als er Banders Bierglas abstellte, schlug dieser das Heft hastig zu, als fürchte er, Klinger könnte etwas Geheimes sehen. Die Neugierde des Kellners blieb also in diesem Falle unbefriedigt.
Als er mit seinem leeren Tablett zur Tür ging, hörte er, wie Lines brummte:
»Also, wo waren wir stehengeblieben?«
Und als Klinger schon die Tür hinter sich schloß, hörte er noch Banders Antwort:
»Bei Reachester. Das ist gar nicht so einfa…«
***
»Sie wollen also keine Anzeige gegen Raint aufsetzen?« fragte Captain Bruce.
Norton schüttelte den Kopf.
»No, Sir. Was käme schon dabei heraus? Das Gericht wird ihm mildernde Umstände zubilligen, weil er erstens geistig zurückgeblieben ist und zweitens begreiflicherweise in Aufregung geriet durch den Anblick seines blutbeschmierten Sohnes. Das Schlimmste, was ihm meiner Ansicht nach dabei zustoßen könnte, wäre eine niedrige Geldstrafe. Und dafür lohnt es sich wohl kaum, so viel Arbeit zu machen.«
»Scheuen Sie sich etwa vor der Arbeit, die das Aufsetzen einer Anzeige bedeutet?« fragte Bruce spitz.
»Nein, Sir«, erwiderte Norton. »Ich meinte, es lohnt sich nicht, dem Gericht so viel Arbeit zu machen.«
Bruce nickte verzeihend.
»Das ist etwas anderes«, bestätigte er. »Ich billige diesen Standpunkt. Die Gerichte sind so schon mit Arbeit überhäuft, daß man sie nicht noch wegen jeder Lapalie belästigen sollte. — Wie sieht es mit Ihren Verletzungen aus?«
Norton lächelte knapp.
»Danke, Sir! Ein paar völlig harmlose Kratzer. Der Unterkiefer tut mir manchmal noch ein bißchen weh, denn es war ein höllischer Schlag, den ich einstecken mußte, aber auch das ist eigentlich nicht der Rede wert.«
»Es freut mich, daß Sie nicht wehleidig sind, Norton«, sagte Captain David Bruce mit Betonung. »Ein Polizist muß hart sein im Nehmen.«
»Jawohl, Sir!« sagte Norton und trat ab, da er die Erlaubnis dazu durch ein Kopfnicken seines Vorgesetzten erhielt.
Ein paar Minuten später befand sich Norton bereits auf seinem letzten Streifengang an diesem Tage. Es war inzwischen dunkel geworden, aber selbst in den ärmeren Gegenden brannten noch die Schaufensterbeleuchtungen.
Gemächlich bummelte Norton dahin. Sein Gummiknüppel baumelte am Gürtel, an der Seite spürte er das vertraute Gewicht der Pistole.
Es gab nichts Besonderes bei diesem letzten Patrouillengang. Norton kehrte zum Revier zurück, machte seine üblichen Eintragungen ins Wachbuch über Art, Dauer und Vorkommnisse seiner Streife, sah auf die Uhr und verabschiedete sich von seinen Kollegen.
Bastiani, der genau wie Norton Tagdienst und folglich zur gleichen Zeit Feierabend hatte, schloß sich ihm an.
»Gehen wir noch ein Glas Bier trinken?« fragte der glutäugige Nachfahre eines Sizilianers. Seine Augen funkelten.
»Warum nicht?« entgegnete Norton. »Aber wieso trinkst du Bier? Ich denke…«
»Mensch, hör auf!« stöhnte Bastiani. »Der Vers hängt mir schon zum Halse heraus. ›Ich denke, alle Italiener trinken Wein?‹ Himmel, wie oft habe ich mir das schon anhören müssen. Ertsens: Ich bin kein Italiener, sondern gebürtiger Amerikaner, aye? Zweitens: Ich trinke nun mal am liebsten Bier, aye? Noch was unklar?«
»Alles klar, Amerikaner!«
Weitere Kostenlose Bücher