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0184 - Für jedes Grinsen eine Kugel

0184 - Für jedes Grinsen eine Kugel

Titel: 0184 - Für jedes Grinsen eine Kugel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Für jedes Grinsen eine Kugel
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können.
    »Sollten wir nicht lieber in einen Park gehen?« fragte sie kleinlaut.
    »Wo willst du denn bei diesem klaren Wetter eine freie Bank finden?« fragte Milt Worren zurück und zog sein Mädchen an der Hand hinter sich her. »Sei doch nicht so ängstlich! Hier ist kein Mensch! Bestimmt!«
    Um ein Haar wäre ihm herausgerutscht: das weiß ich doch. Ein. Glück, daß er es im letzten Augenblick noch runtergeschluckt hatte. Mädchen sind ja immer so komisch. Jane hätte garantiert sofort gefragt: Woher weißt du denn das? Es war sowieso ein Wunder, daß es ihr noch nicht aufgefallen war, wie gut er sich hier sogar in der Finsternis auskannte. Aber er konnte ihr doch immöglich sagen, daß es noch keine sechs Wochen her war, daß er immer mit Marry Lindforth hierhingegangen war, wenn sie allein sein wollten.
    Milt tastete mit der linken Hand an dem Kistenstapel entlang. Gleich mußte die Bude kommen. Er hatte sie tagsüber mal entdeckt, als er ziellos herumgeschlendert war.
    Nimmt der Stapel diesmal überhaupt kein Ende, dachte Milt, dem der Weg diesmal ungewöhnlich lang vorkam. Aber endlich tastete seine linke Hand ins Leere. Jetzt mußten sie sich nach links wenden, ungefähr fünfzehn-Schritte geradeaus gehen, und sie würden an die Wand der Baracke stoßen.
    »Huch, Milt!« rief das Mädchen plötzlich, während es gleichzeitig stehenblieb und sich gegen Milts Zug stemmte.
    »Ja, was ist denn los?« fragte der Junge erschrocken.
    »Da — da war was!«
    »Ach, Unsinn! Wo soll denn etwas gewesen sein? Ich habe nichts gehört.«
    »Gehört habe ich auch nichts, Milt! Aber mein Fuß — ich meine — da unten liegt was!«
    Milt holte tief Luft. Er war ärgerlich. Mädchen sind doch verdammt komische Geschöpfe, dachte er. Jetzt sieht sie vor lauter Angst schon Gespenster.
    »Da ist nichts!« wiederholte er eigensinnig und stocherte mit seinem rechten Fuß in der Dunkelheit umher.
    Da war doch etwas! Milt Worren fühlte, wie seine Fußspitze gegen etwas Weiches und doch Festes stieß, »Laß mich mal einen Augenblick los!« sagte er.
    »Milt, du darfst jetzt nicht Weggehen!« schrie das Mädchen.
    »Brüll doch nicht so!« sagte Milt Worren scharf. »Ich will doch gar nicht Weggehen! Ich will bloß mal ein Streichholz anzünden!«
    »Ja, Milt. Das tu! Himmel, hab‘ ich eine Angst!«
    Milt suchte die Streichholzschachtel in seiner Hosentasche. Er fand das Päckchen, holte es heraus und riß ein Streichholz an. Der scharfe Wind vom Fluß her blies die Flamme aus, noch bevor das Holz Feuer gefangen hatte. Milt nahm ein neues Hölzchen und hielt die Hände so, daß sie die Flamme schützen mußten.
    Flackernd züngelte die kleine Flamme am Hölzchen auf. Milt wollte sich bücken, als ihn der gellende Schrei des Mädchens zusammenfahren ließ.
    Aber jetzt sah auch er das grausige Bild.
    Ein Mann, auf der Brust liegend, dem der Griff eines Messers aus dem blutüberströmten Rücken ragte.
    Milt fühlte, wie seine Hände anfingen zu zittern und seine Knie weich wurden. Das Streichholz versenkte ihm die Finger, und er ließ es fallen. Das Mädchen klammerte sich im Dunkeln an ihm fest. Sie bebte am ganzen Körper. Ein trockenes Schluchzen würgte ihre Kehle.
    »Komm«, sagte Milt. Seine Stimme klang rauh, unnatürlich und gezwungen. Mit einem großen Bogen wich er dem Toten aus und tastete zurück zu dem Kistenstapel. Er mußte sich zwingen, nicht in die Knie zu sinken, so sehr hatte ihn der grausige Anblick erschüttert.
    Der Weg zurück bis zum Ufer schien eine Ewigkeit zu dauern. Einmal fuhren sie beide zusammen wie unter einem Peitschenschlag, als draußen in der abgrundtiefen Finsternis auf dem Fluß der dumpfe Ton eines Nebelhorns erscholl.
    Endlich erreichten sie das Licht der Uferstraße. Und jetzt hielt es auch Milt Worren nicht länger zurück. Sie liefen beide, was ihre Füße sie nur tragen wollten. Keuchend und atemlos stockten sie vor einer Kneipe, aus der eine ganze Herde schwatzender, lachender, fröhlicher Menschen herausquoll.
    Sie .blieben stehen und atmeten schwer. Erst nach einer ganzen Weile stieß Milt keuchend hervor:
    »Wir müssen die Polizei anrufen!«
    »Ja?«
    Ihre Zustimmung war mehr eine Frage.
    »Natürlich«, sagte Milt entschieden. »Wir können doch nicht so tun, als ob wir — eh — ich meine, als ob wir das nicht gesehen hätten.«
    Er vermied absichtlich das Wörtchen ›ihn‹, weil es ihm zu sehr die Erinnerung an den furchtbaren Anblick heraufbeschwor. Er packte die kalte Hand

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