0186 - Die Blutorgel
Mund, und es kostete ihn große Überwindung zu fragen, was mit seinen Eltern wäre.
Die kalten Finger der Frau strichen über die Wangen der Jungen.
»Auch sie liegen auf den Pritschen. Euer Blut wird dafür sorgen, daß die Orgel wieder läuft. Und dann, wenn sie spielt, dann gehört ihr zu uns. Wir werden es uns schön machen. Du willst doch sicherlich wieder bei mir einen Hamburger essen, oder?«
Die letzte Frage war schon der reine Zynismus, aber der Junge merkte nichts davon.
Er verzog das Gesicht.
»Nein, nicht weinen«, sagte das seelenlose Geschöpft, »das hast du überhaupt nicht nötig. Du mußt dich freuen, bald zu uns gehören zu dürfen. Du wirst eingehen in unsere Familie, wir alle gehören zusammen, wir alle halten zusammen, das mußt du dir immer vor Augen halten, mein Kleiner. Wenn du soweit bist, werde ich dich Söhnchen nennen, ich habe mir immer einen Sohn gewünscht, ich…«
Benjamins Stimme unterbrach die Frau. »Seid ihr fertig?« schrie er.
»Ja.« Die Wirtin erhob sich und gab dabei als erste die Antwort.
»Auch du, Snider?«
Snider war der Mann mit der Spitzhacke und dem verunstalteten Gesicht. Er griff jetzt unter seine Jacke und holte ein gewaltiges Messer hervor, das eine gebogene Klinge besaß. Mit diesem Messer arbeitete Benjamin. Er brauchte es, um sich die Herzen seiner Opfer zu nehmen, damit er sie begraben konnte und der gefährliche Voodoo-Zauber wirksam wurde.
Die Seelenlosen traten zurück. Viele von ihnen kannten den Vorgang schon, doch es war für sie immer ein großes Erlebnis, ihm von neuem beizuwohnen.
Benjamin zog seinen Mantel aus. Er entledigte sich auch seiner übrigen Kleidung, faßte dann in sein Gesicht und zog sich eine fleischfarbene Maske ab.
Zum Vorschein kam ein anderes Gesicht.
Das des Teufels!
Dreieckig, unsagbar böse, mit bleckenden Zähnen, die wie Stahlstifte waren, dunklen Augen und einem geschwungenen Oberlippenbart. Er riß auch die Perücke vom Kopf, so daß jeder die Hörner sehen konnte, die aus seiner Stirn wuchsen.
Benjamin war der Teufel.
Asmodis hatte sich gezeigt!
Er war unter seiner normalen Kleidung nicht nackt gewesen, sondern trug ein eng anliegendes Trikot, das dunkelrot schimmerte, wie die Farbe des Höllenfeuers.
Der Satan selbst hatte sich gezeigt. Ein unheimliches Ereignis, etwas, das so gut wie gar nicht geschah, sondern nur in Ausnahmefällen. Und das hier war so ein Ausnahmefall. Er wollte die Blutorgel haben, und er hatte sie.
Endlich…
Nichts war ihm zu teuer gewesen. Die Hölle hatte er verlassen, der Verdammnis war er entstiegen, um sich selbst die Seelen zu holen, die seine weitere Existenz garantierten, denn der Teufel war gierig und grausam. Er konnte seinen Rachen nicht voll kriegen, konnte nie genug bekommen.
Jetzt ging er und nahm auf der Bank vor der gewaltigen Orgel Platz.
Die drei neuen Opfer lagen auf den Pritschen, sie waren festgeschnallt und an den Blutkreislauf angeschlossen.
Nichts konnte mehr schiefgehen.
Der Teufel hob abermals beide Arme, winkelte sie an, und die gekrümmten Finger schwebten über den Tasten.
Dann fielen die Hände nach unten.
***
Es war wirklich gut, daß uns ein ortskundiger Führer zur Seite stand.
Allein hätten wir diese verdammte Orgel wohl nicht gefunden, denn der Nebel machte eine normale Sicht völlig unmöglich. Zudem konnten wir nicht auf den Straßen bleiben, sondern mußten uns durch das für uns unbekannte Gelände schlagen.
Das war schon schlimm, und selbst Owen Kelder mußte hin und wieder stehenbleiben, um sich zu orientieren, obwohl er hier seine Heimat hatte.
Irgendwann erreichten wir einen schmalen Pfad. Es war nur ein Trampelweg, der sich zwischen den Felsen wie der Körper einer Schlange wand und in die Höhe ringelte. Vom Pfad selbst war nicht viel zu sehen, wir folgten kurzerhand dem Sheriff, dessen Rücken sich vor uns schemenhaft abhob.
Dieser Nebel fiel mir auf den Wecker. Ich haßte ihn regelrecht und dachte daran, daß auch in London der Herbst Einzug hielt und den starken Nebel mitbrachte, für den London ja so berühmt und berüchtigt ist.
Ich hatte dem Sheriff noch einmal eingeschärft, mit allem zu rechnen.
Sicherlich war dieser Orgelspieler nicht allein. Bestimmt hatte er seine Zombies verteilt, denn ich konnte mir gut vorstellen, daß sie vor dem Ort, wo sich die Orgel befand, irgendwo lauerten und darauf achteten, daß ihr Meister nicht gestört wurde.
Auf den war ich besonders gespannt. Benjamin hieß er, oder nannte er
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