0186 - Höllenfahrt um null Uhr zehn
herum. Sein Gesicht war um eine Nuance blasser geworden. »Was sagen Sie da?« fauchte er.
»Wiederholen Sie es ihm, Sheriff!« murmelte ich. »Ich habe keine Lust, mich mit Leuten zu unterhalten, die anscheinend der Meinung sind, die Gesetze wären bloß für die anderen da. Nehmen Sie inzwischen seine Anzeige gegen uns auf! Unsere Anzeige kann noch etwas warten. Wir haben Zeit.«
Mit einer leichten Kopfbewegung deutete ich Phil an, daß er im Office bleiben möge. Er verstand zwar nicht, warum ich mich entfernte, aber er nickte unmerklich. Ich ging hinaus ins Vorzimmer, wo der Hilfssheriff saß und schlief.
Ich schob ihm seinen breitrandigen Hut aus dem Gesicht und schüttelte ihn. Er gähnte und erwachte. »Wo ist das Telefonbuch?«
Er rieb sich die Augen, kramte auf seinem Schreibtisch und schob mir endlich den Wälzer hin. Ich blätterte, suchte die Nummer und nahm den Hörer.
Es dauerte fast zehn Minuten, bis ich meine Verbindung hatte. Ich sprach ungefähr fünf Minuten auf meinen Partner ein, bis ich den Hörer zufrieden aus der Hand legte.
Als ich zurück ins Office wollte, erschien der Rechtsanwalt. Er war noch nicht rasiert und hatte blauschwarze Bartstoppeln im Gesicht. Mit einem Kopfnicken ging er an mir und der offenstehenden Tür vorbei ins Office.
Die nächsten vier Minuten redete Horace auf seinen Anwalt ein. Dann besann er sich endlich und ließ ihn mit einem Seufzer in Ruhe. Der Anwalt blickte den Sheriff an, und der stellte uns vor. Am liebsten wäre er tausend Meilen weit weg gewesen, das sah man seinem Gesicht an.
Der Anwalt, der einen intelligenten Eindruck machte und es anscheinend mit niemand verderben wollte, wandte sich freundlich an uns: »Meine Herren, der Ruf von FBI-Beamten ist so über jeden Zweifel erhaben, daß ich es für angeraten halte, wenn wir uns wie vernünftige Menschen betragen und das ganze Problem in Ruhe durchsprechen. Ich bin sicher, daß es eine harmlose Erklärung für die Wunden gibt, die sich Mr. Horace junior zugezogen hat.«
»Das kommt darauf an, was Sie unter harmlos verstehen«, erwiderte ich. »Es müßte doch auch in Lilianwos bekannt sein, daß wegen gewisser Ereignisse in den letzten Wochen Nacht für Nacht ein verstärkter Polizeieinsatz auf den Landstraßen herrscht.«
»Natürlich«, entgegnete der Anwalt. »Jedes Kind weiß das!«
»Großartig«, sagte ich. »Können Sie mir dann verraten, warum dieser Mr. Horace junior eine Straßensperre durchbrach?« Der Anwalt warf einen fragenden Blick auf den jungen Mann. Dean Horace aber dachte nicht daran, etwas zu sagen.
Deshalb -brummte der alte Horace: »Himmel noch mal! Das war eben jugendlicher Übermut! Ist das denn so schwer zu verstehen?«
Ich sah ihn erstaunt an. Er wurde unsicher. Nach einem langen Schweigen sagte ich leise: »Also, Ihr Sohn durchbrach aus jugendlichem Übermut eine Straßensperre der Polizei. Und als darauf ein Polizeifahrzeug verständigt wurde und die Verfolgung aufnahm, veranstaltete er aus begreiflichem jugendlichem Übermut ein Wettrennen mit der Polizei auf Tod und Leben. Als er aber sah, daß die Polizisten ihn stoppen würden, weil sie das schnellere Fahrzeug hatten, da ließ Ihr Sohn aus reinem jugendlichem Übermut von seinem Beifahrer das Feuer auf die Polizei eröffnen. Er ließ aus lauter Jux eine Reihe von Schüssen auf das Polizeifahrzeug abgeben. Als dann aber der eigene Wagen in Brand geraten war und die Polizisten den Bengel unter eigener Lebensgefahr aus dem brennenden Wrack gerettet hatten, da riß er aus lauter Übermut ein Schnappmesser aus seiner Rocktasche und griff seine Lebensretter damit an, als die ihm gerade eine Zigarette anboten. Ich verstehe durchaus, daß wir es hier mit einem eklatanten Fall von jugendlichem Übermut zu tun haben. Wie Mr. Dean Horace es mit seinen eigenen Worten ausdrückte: ›Es tut mir leid, daß die Polizisten nicht verreckt sind!‹ Deshalb habe ich vorsichtshalber telefonisch einen Haftbefehl beim Bezirksrichter beantragt und erhalten. Der Haftbefehl wird heute im Laufe des Vormittags hier eintref fen. Bis dahin kann ich die Verhaftung in meiner Eigenschaft als G-man aufrechterhalten. Dann mag der Richter entscheiden, welche Belobigungen für solche Art von jugendlichem Übermut angebracht sind.«
Meine Zigarette war ausgegangen. Ich steckte sie wieder an. Das Gesicht des Jungen hatte ein wenig von seiner überheblichen Überlegenheit eingebüßt. Sein Vater nagte nervös an der unteren Lippe. Der Anwalt rieb sich
Weitere Kostenlose Bücher