0189 - Im Schatten der Ratte
meinem Laden. Er trinkt einen Gin.«
Ich sprang hoch wie von der Natter gebissen.
»Glass, versuchen Sie, ihn zurückzuhalten. Wir kommen sofort. Hören Sie noch. Seien Sie vorsichtig. Der Kerl ist mit Sicherheit bewaffnet.«
Ich drückte die Gabel nieder, ließ sie wieder hochschnellen und wählte die Nummer der Funksprechzentrale.
»Gebt folgende Meldung durch: In dem Haus 478 der 48th Street in der Kneipe im Parterre hält sich ein Mann auf, der zu den gesuchten Gangstern der Dillinger-Bande gehört. Streifenwagen der City Police werden gebeten, die 48th Street unauffällig an den Kreuzungen mit der Eight und Ninth Avenue zu sperren. Äußerste Vorsicht, da der Mann bewaffnet ist. Ich gebe die Beschreibung.«
Ich haspelte die Beschreibung herunter, hieb mit dem letzten Wort den Hörer in die Gabel und raste hinunter in den Hof des Gebäudes.
Der Jaguar steht immer so, dass ich freie Ausfahrt habe. Der Torposten schaltete die Ampeln auf der Straße auf »Rot«. Ich startete meinen Wagen und zischte hinaus.
Es ist nicht sehr weit vom Hauptquartier des FBI am Broadway bis zur 48th Street, aber New Yorks Verkehr zwischen neun und zehn Uhr setzt jeder Rennfahrt Grenzen. Ich ließ die Sirene heulen und das Rotlicht flackern. Die Cops an den Straßenkreuzungen taten ihr Möglichstes, um mir freie Bahn zu verschaffen. Sie stoppten den Querverkehr, sobald sie mich hörten oder sahen. Dennoch wurde es eine Slalomfahrt erster Ordnung.
Sirene und Rotlicht schaltete ich aus, als ich in die 48th einbog. Ich zischte an zwei Streifenwagen der City Police vorbei, die gerade an der Kreuzung 48th und Eight Avenue stoppten und deren Besatzung ausstieg. Minuten später bremste ich scharf vor dem Haus Nummer 478.
Ich sprang aus dem Jaguar, rannte auf die Kneipe zu und prallte in der Tür mit dem Wirt zusammen.
»Gerade ist er fortgegangen!«, schrie Glass.
Ich packte seinen Arm. »Wohin? Sehen Sie ihn noch?«
Die 48th war höllisch belebt. Ein dichter Strom von Fußgängern ergoss sich auf beiden Bürgersteigen.
»Da!«, schrie Glass. »Der Mann in dem blauen Trenchcoat, der gerade die Straße überquert.«
Ich sah den Mann für einen Sekundenbruchteil. Er stand ungefähr in der Mitte der Fahrbahn, ließ zwei, drei Wagen vorbei, eilte dann weiter. Neue Wagen verdeckten ihn.
Ich schlängelte mich an einer Gruppe von Passanten vorbei, durchbrach die Reihe der parkenden Fahrzeuge am Straßenrand und stürzte mich wie ein Amokläufer in die Flut des fließenden Verkehrs.
Eine Hupe grölte auf. Bremsen kreischten. Das Haifischmaul eines Kühlers schien mich fressen zu wollen. Der Luftzug eines vorbeischießenden Wagens, den ich gerade noch vermeiden konnte, ließ meine Hosenbeine flattern. Dann hatte ich das andere Ufer erreicht.
Ich spurtete die Straße hinunter, rempelte eine Frau an, brach zwischen zwei dicken Frauen durch, die empört aufschrien. Eine Lady, die offenbar eingekauft hatte, streifte ich so, dass Gemüse und einige Tüten aus dem Korb auf die Straße klatschten, und einen Mann schob ich kurzerhand zur Seite.
»Flegel!«, schrie er mir nach.
Aber dann sah ich den blauen Trenchcoat wieder. Sein Träger schlenderte am Rand der Häuser entlang und blickte nachlässig in die Schaufenster. Er hatte ganz die Haltung eines harmlosen Müßiggängers, und es war schwer vorstellbar, dass er an Verbrechen beteiligt sein sollte, bei denen vier Menschen getötet worden waren. Einmal drehte er den Kopf, und ich sah zum ersten Mal sein Profil.
Es war klar, dass ich den Mann lebendig haben musste. Nicht nur, dass die Masse der Menschen auf der Straße eine Schießerei verbot, der Mann musste reden können, wenn ich ihn in den Händen hatte. Ich ging langsamer, um nicht aufzufallen, aber ich ging ein wenig schneller als er, um ihm näherzukommen.
Immer wieder schoben sich Passanten zwischen uns. Trotzdem verlor ich ihn -nicht mehr aus dem Blick.
Als ich auf vielleicht zehn Schritte heran war, blieb er stehen. Ich wandte mich rasch der Auslage eines Seifengeschäftes zu, aber ich spürte seinen Blick auf mir. Als ich mich umdrehte und weiterging, beschleunigte er plötzlich den Schritt. Auch ich musste an Tempo zulegen, um ihn im Gedränge nicht zu verlieren. Er drehte sich um, sah mich und wusste, dass er verfolgt wurde.
Sofort lief er weiter. Ja, jetzt lief er. Der Strom der Menschen hinderte ihn daran, wirklich rennen zu können. Er wich den Leuten nach rechts und links aus. Selbstverständlich ging es mir nicht
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