0189 - Im Schatten der Ratte
den Weg wirft. Der Rest war einfach!« Er hob in eindeutiger Geste die Maschinenpistole an.
Mich schüttelte eine Wut; eine Wut, die ich umso heftiger empfand, als sie ohnmächtig war.
»Dir bleibt dennoch keine Chance«, stieß ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Jeder Mensch in den Vereinigten Staaten kennt dein Gesicht. Wenn du dieses Haus nur um zehn Schritte verlässt, wird man dich erkennen und dich zusammenschießen wie einen tollen Hund.«
Er blieb ruhig, wenn sich auch Hintergrund seiner Augen ein winziges Licht entzündete.
»Du irrst dich. Zunächst einmal kann ich Wochen hier bleiben, bis sich der Lärm gelegt hat. Und dann habe ich noch Bill. Er kann alles für mich erledigen, was zu erledigen ist. Sein Gesicht ist der Polizei nicht bekannt. Er stammt aus Frisco, und bevor er für mich arbeitete, hatte er niemals mit der Polizei zu tun. Natürlich werden deine Leute durch Strime und meinen lieben Vetter Nelson eine Beschreibung von ihm bekommen, aber sieh dir sein Gesicht an, G-man! Es ist glatt und unauffällig, ein Dutzendgesicht. Nach einer Beschreibung und ohne Foto erkennt ihn niemand.«
»Er taugt nichts. Bei der ersten Schwierigkeit fällt er um.«
Dillinger nickte. »Er taugt wenig. Das weiß ich. Darum kehrte ich in einem Bogen zu dem Wagen zurück. Ich wusste, dass du versuchen würdest, ihn zu überrumpeln, und ich wollte sehen, ob er es schaffen würde, mit dir fertig zu werden. Natürlich versagte er, und ich glaube, es wirkte erzieherisch auf ihn, dass ich seinen Fehler wieder in Ordnung brachte. Den Cop-Wagen ist er jedenfalls auf glatte Weise losgeworden. Ich weiß auch, dass er sich den Cops am liebsten in die Arme werfen würde, wenn er nur könnte, aber er war es, der Cross Choster in dem Fabrikhof erschoss, und ich werde es ihm immer wieder einhämmern, dass er dem elektrischen Stuhl so wenig entgeht wie ich, falls die Cops und deine Kollegen uns fassen sollten. Es wird ihm nichts anderes übrig bleiben, als seine Hoffnungen auf mich zu setzen.«
Er machte eine Pause und starrte vor sich hin. Dann sagte er: »Und Ann? Ich gebe zu, sie ist eine Enttäuschung. Ich hatte gehofft, sie würde sich bedingungslos auf meine Seite schlagen. Sie hat es schon einmal getan, aber damals wusste sie nicht, dass ich ganz gerne mit solchen Dingern spiele!« Er sah auf die Maschinenpistole. »Außerdem habe ich sie vor Jahren kurzerhand sitzen gelassen, als mir New Yorks Boden unter den Füßen zu heiß wurde.« Er grinste dünn. »Was meinst du, G-man? Ich wette, sie nimmt mir meinen sang- und klanglosen Abschied übler als eure Leute, die ich in Cornwall…« Eine Handbewegung vollendete den Satz.
Ich antwortete nicht. Dillinger nahm das Gespräch nicht wieder auf. Wenig später kam Ann herein. Sie trug ein Tablett, auf dem Teller, Schüsseln mit Speisen und zwei Flaschen Mineralwasser standen. Hunter folgte ihr auf dem Fuß.
Die Frau stellte das Geschirr und die Schüsseln auf den Tisch. Dann füllte sie einen Teller mit Kartoffeln und zwei gebratenen Eiern, legte eine Gabel.darauf, goss auch Mineralwasser in ein Glas und brachte alles mit großer Selbstverständlichkeit mir. Dillinger sagte nichts. Er aß bereits, und Hunter hockte müde am Tisch und schaufelte das Essen in sich hinein.
Ann blieb neben mir sitzen.
»Ich werde Ihnen einen Anzug und Wäsche geben«, sagte sie, »und wenn Sie sich gut genug dazu fühlen, können Sie duschen.«
Der Gangster hob den Kopf vom Teller.
»Verliebe dich nicht in den G-man, Ann«, sagte er. »Du bist doch schon einmal Witwe.«
***
Die Nacht kam. Dillinger und Hunter fesselten mich, und sie gingen so sorgfältig dabei zu Werke, dass mir keine Chance blieb, mich der Fesseln heimlich zu entledigen. Die Frau musste ihr Lager auf der zweiten Couch im Wohnzimmer einrichten. Der Gangster blieb in seinem Sessel, und nur Hunter verzog sich in einen arideren Raum des Hauses.
Ich schlief sofort ein, und es war das Beste, was ich tun konnte. Es hatte keinen Sinn, sich jetzt schon den Kopf zu zerbrechen. Erst musste ich wieder körperlich und geistig auf der Höhe sein, bevor ich daran denken konnte, irgendetwas zu unternehmen. In einem angeschlagenen Schädel keimen keine guten Ideen, und mit wackligem Schädel kämpft es sich schlechtf Das Schrillen einer Klingel riss mich aus dem Schlaf..Zwar war ich steif von der durch die Fesselung erzwungenen Lage, aber sonst fühlte ich mich eine ganze Portion besser. Es war Tag draußen, denn Licht
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