019 - Der Sarg des Vampirs
staatliche Sondergenehmigungen zu
bekommen, wie du weißt. Ich rief einen Militärstützpunkt unserer Truppen an,
und der Offizier stellte mir acht Hubschrauber zur Verfügung. Ich hatte vor,
das ganze Waldgebiet, das du so hervorragend beschrieben hast, zu durchkämmen,
um dich noch lebend anzutreffen.«
»Und das hast du! Was willst du mehr?« Larry gewann seine gute Laune
zurück. Er massierte sich die Gelenke, während er vor Iwan den Wagen verließ.
Im Lager der Zigeuner sah es aus wie auf einem Kriegsschauplatz. Bei der
Ankunft der Soldaten war es nur vereinzelt zu Widerstand gekommen. Dabei war
einer der Zigeuner erschossen worden.
Wie riesige, schwere Vögel hingen die Militärhubschrauber über den Wipfeln der
Bäume. Die heftig schlagenden Rotorblätter drückten die Zweige herab, Laub- und
Blattwerk wirbelte davon.
Larry sah, dass sich auch Janina unter der Gruppe befand, die bewacht
wurde. Sein Blick sagte ihr, dass er sich um sie kümmern werde. Er näherte sich
der Greisin, die vor den Stufen eines modernen, breiten und weiß lackierten
Wohnwagens stand.
Ihr Gesicht sah aus wie zerknittertes Pergament. Die Wagentür hinter ihr
war weit geöffnet. Gerade in dem Moment, als er darauf zuging, erschien auf der
obersten Sprosse ein Soldat, in dessen Armen ein Mädchen lag.
Estelle de Avilla !
»Sie ist nicht tot«, krächzte die Alte. In ihrem Gesicht regte sich nichts.
Ihre Augen lagen tief in den Höhlen – dunkel und unergründlich. »Sie schläft.
Ich habe ihr vorhin eine Droge verabreicht.«
»Warum hat Sarkom das Mädchen hergebracht?«, wollte Larry wissen. Ein
unheimlicher Verdacht stieg in ihm auf. Doch der letzte Beweis fehlte ihm noch.
»Warum? Weil ich seine Mutter bin.« Die Alte sagte es laut und deutlich,
dass es weit über den mit Menschen übersäten Platz hallte.
»Sie lügt! Glaub ihr nicht, Larry!«, rief Janina.
Sie löste sich aus der Gruppe und rannte los. Ein Soldat befahl ihr, sofort
stehenzubleiben.
»Schon gut! Es ist in Ordnung«, winkte Larry ab und schloss Janina in die
Arme. Sie war bleich, aber glücklich. Ihre Züge wirkten übermüdet und
erschlafft, aber ihre natürliche Schönheit kam auch jetzt noch voll zur
Geltung.
»Es hat keinen Sinn«, stieß sie hervor, während sie sich von Larry löste
und der Alten gegenübertrat.
»Dummes Ding«, murmelte die Greisin, und sie hob die Hand, als wolle sie
das junge Mädchen schlagen. Janina wich nicht zurück, und die Alte ließ die
Hand sinken.
»Warum noch leugnen, alte Gera? Warum?« Janina redete fast beschwörend auf
die Alte ein. »Die Legende von Sarkom geht zu Ende, spätestens an diesem Tag
werden es alle erfahren. Ich bin eine der wenigen Eingeweihten. Fathos hat es mir verraten. Er glaubte, mich durch das
Wissen, das er mir anvertraute, noch enger an sich zu binden. Ich trug schwer
an der Last und löse mich von der Sippe! Es ist zu viel Blut geflossen, unschuldiges Blut! Sag diesem Mann, dass
dein Sohn Markos ...«
»Schweig!«, zischte die Alte.
Vorsichtig drückte Larry die junge Frau zur Seite. »Markos? Er hat die
Rolle von Sarkom gespielt?«
In den Augen der Alten las er die Antwort und atmete hörbar aus.
»Ich habe es geahnt. Und nur wegen der Überlieferung, wegen eines Fluches,
wurden bis in die jüngste Vergangenheit hinein unsinnig Menschenleben
gefordert! Und Sarkoms Leichnam ist längst zu Staub zerfallen.«
Die Alte senkte das eisgraue Haupt. »Es war ein Fluch, der ausgeführt
werden musste. Sarkom, den man seinerzeit durch einen Schwertstreich tötete,
hat seiner Sippe den Auftrag dazu gegeben. Es gab Nachfahren, und die jeweils
ältesten Söhne erfüllten das geheimnisvolle Gesetz, das ihnen das Töten befahl.
Sie hatten den Auftrag, sich über die Jahrzehnte, ja über Jahrhunderte hinweg,
an den Nachfahren der de Avillas zu rächen. Niemals
sollte Ruhe in diese Familie einkehren. Ich bitte Sie, Señor, Gnade walten zu
lassen! Schonen Sie meinen Sohn Markos! Er ist der Letzte einer direkten Linie
...«
»Der Letzte, der das Merkmal des Vampirs trägt«, fügte Janina hinzu. »Eine
Eigenart der Familie, dass die Eckzähne unnatürlich lang hervorwuchsen. Damals
entstand die Legende vom Vampir. Aber keiner der Sarkoms hat sich jemals mit
Menschenblut genährt. Ihnen ging es darum, zu morden. Und wie sie das
vollbrachten, das wirst du bei Markos entdecken, Larry. Er verbirgt sich
tagsüber in der Gruft oder in den Geheimgängen, die die Sippen vor uns angelegt
haben und hält sich
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