019 - Der Sarg des Vampirs
sagte Larry Brent mit sarkastischem
Unterton in der Stimme.
»Der Aufwand gilt nicht Ihnen, Brent.« Fathos lachte. »Der Tag bricht an. Alle wollen Zeuge werden, wenn Sarkom wieder sein
Grab aufsucht. Wissen Sie nicht, dass Vampire das Licht meiden?«
X-RAY-3 wurde Zeuge eines seltsamen Schauspiels. Sarkom, den dunkelroten
Mantel um die Schultern geschlungen, ging gemessenen Schrittes auf das halb
geöffnete Grab zu. Er bewegte sich zwischen der Gasse aus Menschen, die sich zu
beiden Seiten des Weges bildete und legte sich in den Sarg. Der defekte Deckel
wurde über die Öffnung gelegt, dann ließen vier kräftige Männer ihn hinab.
Einer war zur Vorsicht nach unten in die Gruft gestiegen und stützte den Sarg
ab, damit er nicht wegrutschte. Der Mann kam wenig später aus der Gruft wieder
nach oben.
Es wurde rasch Tag.
Larry warf einen letzten Blick auf das Grab, in dem Sarkom lag, das halb
aufgedeckt war – damit der Vampir bei Einbruch der Dunkelheit die Gruft wieder
verlassen konnte.
»Die Sache wäre gelaufen, Brent«, sagte Fathos und schob den PSA-Agenten vor sich her. Larry fühlte deutlich den Lauf der
Waffe in seinem Rücken. »Dieses Mal sind wir vorsichtiger.« Sie kamen an dem
Wagen vorbei, in dem Janina eingesperrt war.
Larry sah ihr bleiches, ernstes Gesicht hinter dem Fenster, und in ihren
Augen den Schmerz.
Fathos amüsierte sich: »Dieses Mal wird Ihnen auch niemand bei der Flucht
behilflich sein. Janina wird ihren Verrat mit einem nicht leichten Tod
bezahlen!« Der Amerikaner wurde in den alten Wagen gestoßen, der ihm schon
einmal als Gefängnis gedient hatte.
»Zwei Männer werden die Tür ständig bewachen«, verabschiedete sich Fathos höhnisch. »Sie haben außerdem den Auftrag, Ihre
Fesseln alle halbe Stunde zu kontrollieren.«
Die Tür schloss sich, und Larry war allein. Er wusste, dass es keinen
Ausweg mehr gab. Bei Einbruch der Dunkelheit, mit Sarkoms Rückkehr, würde er
sterben.
●
Im ersten Augenblick klang es wie
Donnergrollen.
X-RAY-3 drehte den Kopf zur Seite und stellte fest, dass er in dieser unbequemen
Lage, mit gefesselten Händen und Füßen, tatsächlich in einen leichten Schlaf
gefallen war.
Dann erkannte er, dass das Geräusch das Schlagen von Luftschrauben war.
Hubschrauber?!
Er träumte, anders konnte er sich das nicht erklären. Doch dann hörte er
Rufe und Hinweise, ein Schuss krachte, jemand schrie.
Alles ging drunter und drüber. Trampelnde Schritte erschütterten den Boden.
Eine befehlsgewohnte Stimme rief Anordnungen. Auf dem Platz draußen schien es
mit einem Mal hundert Menschen mehr zu geben.
Larry Brent richtete sich mühsam auf, stützte sich mit der Hüfte und später
mit den Schultern an der staubigen Wand ab und versuchte, durch das mit einem
hölzernen Laden verschlossene Fenster einen Blick zu werfen. In diesem
Bretterverschlag gab es zahlreiche Ritzen und Löcher, durch die das beginnende
Tageslicht fiel.
Er sah einen riesigen Schatten und die Wipfel der Bäume, die sich wie unter
einem heftigen Orkan bogen. Das Knattern und Krachen ließ nicht nach,
mindestens sechs oder acht Hubschrauber mussten in der Luft über dem
ausgedehnten Lagerplatz der Zigeuner stehen.
Larry begriff die Situation erst in ihrem vollen Umfang, als die Tür zu
seinem Wagen aufgerissen wurde. Zwei Uniformierte standen auf der untersten
Stufe, einer kam sofort herein, mit einem Karabiner in der linken Hand.
Es war ein amerikanischer Soldat. X-RAY-3 verstand nichts mehr.
»Ich glaube, wir haben ihn gefunden«, rief der Uniformierte.
»Wo?«, erscholl eine Stimme, und Larry Brent zuckte wie unter einem
Peitschenschlag zusammen.
Der Mann, der dieses kurze Wort gebrüllt hatte, erschien in vollen Größe in
der Türfüllung. Er musste sich bücken, um in den Wagen zu kommen. Der Duft, der
in Larry Brents Nase stieg, war unverkennbar: ein schwerer, bitterer Tabak, den
es kein zweites Mal auf der Welt gab.
»Hallo, Towarischtsch«, sagte der Russe und strahlte wie ein Kind, als er
seinem amerikanischen Freund die Fesseln durchschnitt, um ihn anschließend
heftig zu umarmen.
»Das darf doch nicht wahr sein ...« Larrys Stimme klang belegt.
»Dich schickt der Himmel!«
»Nein, ganz so ist es nicht. Etwas hast du auch dazu beigetragen – dein
Funkspruch. X-RAY-1 hat mich herbeordert. Ich war in Portugal, also sehr nahe.
Laut Befehl setzte ich mich sofort mit dem spanischen Innenministerium in Verbindung.
Als Angehöriger der PSA ist es nicht schwer,
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