019 - Der Sarg des Vampirs
allein für sich schon ein Vermögen wert waren.
Bis zu diesem Augenblick, als er das Zimmer 138 erreichte, war alles glatt
und reibungslos verlaufen, und er hoffte, dass es auch weiterhin so bleiben
würde.
Die Tür war unverschlossen. Señor Perez hatte an alles gedacht.
Beim Eintreten blickte Larry forschend durch das düstere Zimmer, in dem es
nur ein kleines Fenster gab. Durch dieses fiel das schwache Licht, das von der
Straßenbeleuchtung und Schaufensterreklame seinen Weg nach hier oben fand.
In einem wuchtigen Sessel saß eine dunkle Gestalt. Sie erhob sich, als Larry
eintrat.
»Ich freue mich, dass alles so glatt gegangen ist, Señor Brent.« Señor
Perez, ein untersetzter Mann, Mitte der Vierzig, reichte ihm nervös die Hand.
»Ist etwas nicht in Ordnung? Gibt es irgendetwas Neues?«, wollte Larry
wissen.
»Nein, es hat sich nichts ereignet, Señor. Offenbar zögert die andere Seite
noch.« Seine Stimme schwankte ein wenig.
Larry runzelte die Stirn. »Sie sind nervös, Señor.«
Perez wischte sich über die Stirn. »Das bleibt nicht aus. Ich habe noch
niemals so etwas durchgestanden.«
»Es wird schon schiefgehen.«
Wortlos führte Perez ihn an die Wand neben dem Diwan. Ein wuchtiges
Ölgemälde nahm einen Großteil der Wand ein, die hellbraun tapeziert war. Als
Larry mit den Fingern über die Tapeten rechts neben dem Bild strich, bemerkte
er, dass sich die Fläche hart und kühl anfühlte, im Gegensatz zu der Fläche
links daneben.
»Die eine Seite ist ein getarnter Spiegel, dessen Rückseite sich auf dieser
Seite des Zimmers befindet«, erklärte Señor Perez. »In Zimmer 139 ist die
Vorderseite des Spiegels. Von dieser Seite aus ist er durchsichtig wie Glas.«
Larry drückte sein Gesicht an die Wand und konnte in das Zimmer sehen, das
Estelle de Avilla bewohnte. Es war ein
außergewöhnlich komfortabler Raum, der sich seinen Augen bot.
Ein chinesischer Teppich bedeckte den Fußboden, schwere, bequeme
Polstermöbel luden zum Sitzen ein. In der linken Ecke brannte eine Stehlampe
mit gedämpftem, rotem Licht.
Estelle de Avilla lag auf ihrem Bett und neben
ihr, auf dem flachen Nachttisch, ein aufgeschlagenes Buch. Am Ende des langen
Korridors schlug leise eine Tür zu. Ein Gast des Hotels – oder Sarkom und seine
Begleiter? Señor Perez' Nervosität nahm sichtlich zu. Er saß auf einem der
weichen Polstersessel und sagte kein Wort. Estelle de Avilla lag unverändert da. Sie war sehr blass. Die Anstrengung der letzten Stunden und
das leichte Nervenfieber, unter dem sie noch immer litt, hatten Spuren in ihrem
edlen, feingeschnittenen Gesicht hinterlassen.
X-RAY-3 wagte kaum zu atmen. Da erklang ein leises, tappendes Geräusch, in
unmittelbarer Nähe des Zimmers Seine Muskeln und Sinne waren zum Zerreißen
gespannt. Er wusste, dass es darauf ankam, im Bruchteil einer Sekunde bereit zu
sein. Er durfte es nicht dazu kommen lassen, dass für Estelle de Avilla eine prekäre Situation entstand. Andererseits aber
musste er auf das Eintreten von Sarkom warten.
Auf einmal sah er, wie sich die Türklinke in Estelles Zimmer bewegte. Die
junge Spanierin zuckte kaum merklich zusammen. Durchhalten, Mädchen, dachte
Larry. Wenn deine Nerven jetzt versagen, dann steht alles auf des Messers
Schneide!
Die Tür öffnete sich, gerade so weit, dass eine Hand sichtbar wurde.
Aber dann wurde die Tür weit aufgestoßen. Im dunkelroten Umhang stand
Sarkom auf der Türschwelle!
Mit einem wilden Aufschrei stürzte Estelle de Avilla aus ihrem Bett, direkt auf die Spiegelwand zu, hinter der sie ihren Retter
wusste. Larry konnte den Dingen nicht ihren Lauf lassen. Er warf sich gegen die
getarnte Spiegelwand, ehe sich Sarkom von der Türschwelle wegbewegte und nach der
Spanierin greifen konnte.
Estelle schrie wie von Sinnen. Das Glas zersprang. Die Tochter des Herzogs
sah, wie ihr Spiegelbild zerbröckelte. Larry Brent hechtete durch die etwa
einen Quadratmeter große Öffnung, kam federnd auf die Beine und stand vor Sarkom.
Da packten ihn zwei Hände von hinten und rissen ihn herum. Larry glaubte zu
träumen. Ein Zigeuner stand hinter ihm, ein zweiter stieg durch die fast
quadratische Wandöffnung, wo sich vor wenigen Augenblicken noch der Spiegel
befunden hatte. Larry blickte in das Zimmer, aus dem er gekommen war. Señor
Perez, der Hotelbesitzer, stand mit unglücklichem Gesicht neben seinem Sessel.
Schräg hinter ihm ein weiterer Zigeuner – bewaffnet.
»Es tut mir leid, Señor Brent«, sagte Perez mit
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