0191 - Sing-Sing ist kein Erholungsheim
Durchgang habe!«
Er deutete neben sich. Wirklich hatte er die bessere Lage für unseren Zweck, denn nur eine Armlänge links von ihm, also zur Schlucht hin, gab es einen verhältnismäßig großen Felsen, der Phil verdeckte, wenn er hinter dem Brocken entlangkroch, um auf die Seite des Cadillac zu kommen.
»Ich gebe dir Feuerschutz!« sagte ich und befreite mich endlich von der lästigen Maschinenpistole, die ich neben mich legte. Dafür zog ich den Dienstrevolver aus der Schulterhalfter und rutschte ein Stückchen weiter nach rechts.
Unterdessen schob sich Phil bereits langsam und lautlos vorwärts. Ich hob den Kopf ein wenig und peilte zwischen zwei gezackten Felsbrocken hindurch. Die Frau schien noch am Steuer zu sitzen, aber sie hatte klugerweise den Kopf eingezogen. Ich sah knapp oberhalb des Steuers nur ein Stück ihres Mantels. Vielleicht hatte sie sich flach auf die vordere Sitzbank geworfen.
Inzwischen waren von dem Mann bereits vier Schüsse abgefeuert worden, die ziemlich sinnlos gegen die Felsen klatschten.
Ich konnte das rechte Hinterrad des Wagens sehen. Genau links davon entdeckte ich die Beine des Burschen.
»He, Mann!« rief ich zu ihm hinüber. »Streck die Arme hoch und laß deine Kanone fallen! Wir sind G-men, das weißt du!«
»Holt mich doch!« schrie er zurück. Seine Stimme war dicht davor, sich zu überschlagen.
Ich beobachtete seine Füße, die ich unter dem Wagen sehen konnte. Phil mußte von links kommen. Wenn er auftauchte, würde sich der Kerl wahrscheinlich auf die rechte Wagenseite in Deckung begeben. Dort aber mußte ich ihn voll in Sicht haben.
Ein paar Sekunden vergingen in tiefer Stille. Einmal knirschte ein Steinchen irgendwo.
Durch meinen Spalt beobachtete ich aufmerksam das Heck des Wagens. Der Kerl hatte sich so tief geduckt, daß von ihm außer seinen Füßen unter dem Wagen nichts zu sehen war.
Vielleicht konnte es nicht schaden, wenn ich ihn ein bißchen von Phil ablenkte. Ich zielte und setzte eine Kugel ein Stück links von ihm in den Sand.
Das Resultat war unerwartet. Vor Schreck fuhr er in die Höhe und sprang genau auf die rechte Wagenseite, von mir gesehen, so daß ich ihn voll im Schußfeld hatte.
»Los, gib’s endlich auf!« hörte ich Phils Stimme.
Der Bursche schoß über den offenen Wagen hinweg. Die Kugel fegte irgendwo hinab in die Schlucht.
»Laß deine Kanone fallen!« rief ich, um ihn zu verwirren.
Jetzt warf er sich wieder in meine Richtung. Das Geräusch zweier schneller Schritte wurde laut. Der Bursche drehte sich auf dem Absatz und riß seine Pistole hoch. Phil tauchte hinter dem Heck des Wagens auf, aber er mußte etwas ausgerutscht sein, denn er taumelte nach rechts. Der Mann schoß sofort auf Phil.
Und da drückte ich ab. Ich sprang auf und hätte sofort noch einmal schießen können, aber es war nicht mehr nötig. Der Bursche hatte beide Arme in einer unnatürlich anzusehenden Geste hochgeworfen. Seine Pistole fiel ihm aus den Fingern. Er knickte im linken Knie ein und ging zu Boden.
Phil kam wieder hoch. Er fluchte leise vor sich hin und rieb sich sein Knie. Die Hose hatte einen Riß. Von der aufgeschlagenen Kniescheibe sickerte Blut in den Stoff.
Wir traten langsam an den Mann heran. Er lag dicht neben dem Wagen und rührte sich nicht mehr. Wir wälzten ihn herum. Gebrochene Augen blickten uns an.
Meine Kugel war ihm genau auf der linken Seite zwischen zwei Rippen hindurch ins Herz gedrungen.
Wir suchten seine Brieftasche. Ein paar abgerissene Kinokarten steckten in dem kleinen Briefmarkenfach. Dahinter kam ein Führerschein zutage. Ausgestellt auf den Namen Guy Wolters. In einem Geheimfach waren die Entlassungspapiere aus dem Zuchthaus St. Quentin in Kalifornien. Sie waren noch kein Jahr alt.
»Er kann kein Polizist gewesen sein«, murmelte Phil. »Sie stellen keine ehemaligen Zuchthäusler ein. Und Über die Fingerabdrücke hätten sie seine Vorstrafen gefunden, auch wenn er sie verschwiegen hätte.«
Ich nickte. Meine Kehle war rauh. Nachdenklich blickte ich hinab auf den Mann, den ich erschossen hatte, damit er meinen Freund nicht erschießen konnte.
Auf der Zunge hatte ich einen pelzigen Geschmack. Und im Magen war ein flaues, ekelhaftes Gefühl. Phil legte mir schweigend die Hand auf den Unterarm. Er sagte nichts. Es gab auch nichts zu sagen.
***
»Verdammt noch mal!« fluchte Herbert Ruel. »Wo bleiben sie denn?«
Er hockte hinter der Sperre, die sie provisorisch über die Straße gezogen hatten. Es waren ein paar
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