0191 - Tschato, der Löwe
auftauchen?"
„Nein. Die TRAMP ist offenbar von den Blues vernichtet worden. Die Stärke eines Hyperkomsenders reicht nicht aus, um die unermeßliche Entfernung zu den nächsten terranischen Schiffen zu überbrücken. Nur ein Zufall, der ein Patrouillenschiff in dieses Gebiet der Galaxis geführt hätte, würde uns eine Chance geben." In ihrer hellen Gesichtshaut wirkten die dunklen Schatten unter den Augen beinahe krankhaft. Einen Augenblick erschien sie Rhodan nichts als eine zerbrechliche, hilflose Frau zu sein, aber die Festigkeit ihrer Stimme wischte diesen Eindruck sofort hinweg. „Was würde eine Gefangenschaft bei den Blues bedeuten?"
„Das kommt auf die politischen Umstande an", wich Rhodan aus. „Es ist schwer zu sagen, wie ein Blue in einer gewissen Situation reagiert. Wahrscheinlich würden wir als Druckmittel benutzt werden." Sie dachte einen Augenblick nach. „Was halten Sie davon, wenn sich ein Teil von uns den Blues ergibt, während die anderen sich verstecken? Die Blues würden glauben, daß die verschwundenen Flüchtlinge bei der Naturkatastrophe umgekommen sind, sich mit den wenigen Gefangenen begnügen und abziehen."
„Das Hypnoverhör durch die Blues würde rasch die Wahrheit zeigen", gab Rhodan zurück. „Es bleibt uns keine andere Wahl, als die Flucht fortzusetzen."
Atlan kam nach vorn. Er lehnte sich gegen die Kontrollen. Das übliche schwache Lächeln spielte auf seinem Gesicht. „Der weise, alte Uhu", bemerkte Mory spöttisch. „Was sagt seine Erfahrung zu unserem Problem?"
„Nichts", Atlan verschränkte die Arme über der Brust. „Es gibt Momente, in denen auch ein Uhu schweigt." ,,Seltsamerweise haben auch Unsterbliche Angst vor dem Tod", stellte Mory nüchtern fest. „Ich dachte, daß ein Mann, der so lange gelebt hat, Herr über alle Gefühle ist."
„Wie wollen Sie wissen, daß ich Angst vor dem Ende fühle?" erkundigte sich Atlan. Mory blickte von ihm zu Rhodan. Dann kehrte ihr Blick zum Arkoniden zurück. ,,Beide haben Sie Furcht. Sie haben dank Ihrer Zellaktivatoren ein so langes Leben hinter sich, daß der Tod für Sie ein abstrakter Begriff geworden ist. Für Sie ist der Tod abnormal - deshalb fürchten Sie ihn mehr als alles andere."
„Ich weiß, was Sie damit sagen wollen", sagte Atlan. „Und - stimmt es etwa nicht?"
„Manchmal empfinde ich Furcht", erklärte Atlan und starrte aus der Kanzel. „Zum Beispiel jetzt. Ich fürchte, daß Ihnen etwas zustoßen könnte, Mory." Damit wandte er sich ab und zog sich in den Hintergrund des Shifts zurück. „Er verwirrt mich", gestand Mory. „Ich weiß", lächelte Rhodan. „Ich benötigte Jahre, um mich an ihn zu gewöhnen. Sie dürfen keine normalen Maßstäbe für ihn anlegen. Er ist noch immer ein Wanderer durch die Zeit. Für ihn sind wir vielleicht nur eine kurze Episode, die vorübergehen wird, wenn ich auch manchmal glaube, daß sein und mein Schicksal untrennbar miteinander verbunden sind." Eine Bö warf den Shift zur Seite, und Rhodan mußte den Kurs ausgleichen. „Sie beide sind sich ähnlich", murmelte Mory.
,,Allerdings scheinen Sie derjenige zu sein, der auch in aussichtslosen Situation noch etwas riskiert. Das mag der Unterschied zwischen einem Arkoniden und einem Terraner schlechthin sein."
„Es gibt noch andere Unterschiede", erwiderte Rhodan. „Feinere, die Sie erst nach Jahrzehnten aufspüren werden." Sie runzelte die Stirn. „Sie vergessen, daß ich eine Sterbliche bin", sagte sie nicht ohne Bitterkeit. „Was wird mit mir in Jahrzehnten sein?" Irgendwie fühlte Rhodan, daß ihn diese Frage stark berührte. Er stellte sich vor, daß ihre Schönheit vergehen würde. Während sie alterte, behielt er sein jetziges Aussehen. Er verwünschte sich im stillen wegen dieses verrückten Gedankens.
Schließlich war er kein sentimentaler Trottel. Als sie den Wald fast überquert hatten,’ begann der Antrieb des Shifts zu stottern. Es gab vier ruckartige Stöße, die die Passagiere durcheinanderwarfen.
Rasch verlor der Shift an Höhe. Deutlich konnte Rhodan die Ebene vor den Bergen erkennen. Bully kam nach vorn und warf einen besorgten Blick auf die Kontrollen.
„Kannst du ihn in der Luft halten?" fragte er Rhodan. „Das Ungeheuer scheint mehr zerstört zu haben, als wir im Augenblick feststellen konnten", gab Rhodan zurück. „Hoffentlich erreichen wir noch die Ebene!" Der schwere Shift trudelte über dem Wald dahin.
Von der Ebene wehte starker Wind herüber, der das Raupenfahrzeug immer wieder
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